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Strand

Lido di Venezia: Ein Tag am Strand von Venedig

Unsere Autorin Petra Reski hat eine Badekabine am Lido di Venezia – und erzählt, wie man am besten den Tag am Strand von Venedig verbringt.

Text Petra Reski
Datum 25.09.2023

Dieselben Geranien rechts und links, dieselbe Besetzung meiner Badekabine, derselbe Horizont, am liebsten in Türkis. Pinienduft und Kindergeschrei. Die ewige Wiederkehr des Gleichen, ja, die Illusion von Unvergänglichkeit. Das ist es, was ich mir wünsche, wenn die Badekabinensaison eröffnet wird und ich im Juni zum ersten Mal den Fuß auf die von der Sonne erhitzten Holzstufen am Lido di Venezia setze. Der Tag soll sich nicht wesentlich von dem vor einem Jahr unterscheiden und auch nicht von dem Tag vor zehn Jahren. Kontrollblick über den Strand: Wie immer wird in der Bar schon morgens ordentlich Spritz getrunken, wie immer erwarten mich die Quallen der Adria, wie immer wird Boccia gespielt. Gott sei Dank.

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Ich habe eine Badekabine des Beachclubs "Des Bains 1900", prima fila, erste Reihe – wohin ich mich erfolgreich vorgearbeitet habe, nachdem ich mich einige Jahre lang mit der zweiten Reihe begnügen müsste, von wo aus ich das Meer nur durch einen Spalt zwischen zwei Badekabinen sehen konnte. Weil die Miete einer Badekabine am Lido, auf Italienisch capanna genannt, so hoch ist wie das Bruttoinlandsprodukt von Burkina Faso, teile ich mir die Kabine mit fünfzehn weiteren Damen.

In meiner capanna sind Kinder verboten, Enkelkinder ebenso – und Männer bis vor Kurzem eigentlich auch. Wobei ich aber nicht sagen möchte, dass die Damen meiner capanna männerfeindlich gesinnt wären – sie finden nur, dass es wenige Männer gibt, die zu uns passen. Aber angesichts von la crisi und dem damit verbundenen Schwund an zahlungskräftigen Badekabinen-Genossinnen (selbst in der begehrten ersten Reihe bleiben einige Kabinen die ganze Saison über leer!) mussten wir Kompromisse machen und doch Männer mit aufnehmen.

Strandtag am Lido di Venezia: Ein Erfahrungsbericht

Lido di Venezia, Strand von Venedig © iStock/LUke1138
Der Lido ist das Refugium der Venezianer:innen.

Wie immer begrüße ich die Damen von den Kabinen nebenan, Damen, die bereits in ihre Kreuzworträtsel vertieft sind oder Karten spielen. Und wie immer bescheide ich die Angebote der Strandverkäufer abschlägig, die mir Louis-Vuitton-Taschen, gebatikte Wickeltücher und Ketten aus Halbedelsteinen verkaufen wollen. 

Wobei zu sagen ist, dass die Damen zu den Verkäufern ein durchaus familiäres Verhältnis pflegen. Wenn der Taschenverkäufer sein "Bonjour Mesdames!" schmettert, dann zirpen sie "Bonjour, bonjour!" zurück, und wenn sich der Schmuckverkäufer nähert, fragen sie ihn warmherzig, wie es ihm im Winter zu Hause in Sri Lanka ergangen ist und beglückwünschen ihn so herzlich zur Geburt seines zweiten Kindes, als handele es sich um ihr eigenes Enkelkind und versichern ihm, dass sie sich die Sache mit der Amethystkette nochmal überlegen.

Meine Freundin Marisa sonnt sich wie immer mit nach außen gedrehten Armen, Maria Pia hat wie immer Obstsalat im Tupper-Topf mitgebracht, Giuseppina liest den Gazzettino und regt sich wie immer über den Bürgermeister auf. Der Lido ist trotz alledem das letzte Refugium der Venezianer:innen, geschützt vor den Horden der Day-Tripper, Gott sei Dank. 

Wenn man die Gran Viale entlanggeht, fühlt man sich wie in einer Zeitmaschine, die einen in den 1950er Jahren ausgespuckt hat, mit Kinderkarussells neben den zartblauen Glyzinien-Rispen des Restaurants "Parco Delle Rose", mit Eisdielen und Geschäften, die Schwimmringe in Form von Flamingos anbieten. Manchmal fahren Vierräder samt Sonnensegeln mit Troddelbordüren vorbei, unter denen Vater, Mutter, Kinder kichernd in die Pedale treten. Überhaupt ist der Lido für Fahrräder wie gemacht; am schönsten ist es, den schmalen Radweg am Wasser entlang vom „Excelsior" bis zum Strandabschnitt Alberoni zu fahren, der, wenn er nicht so weit weg wäre, mit seinen türkis-weiß gestreiften Badekabinen mein Lieblingsstrand wäre. 

Alljährliches Highlight am Lido di Venezia: Filmfest Venedig

Kurz vor Ende der Saison geht das Filmfest jedes Jahr so überraschend wie ein Schneeschauer im August über den Lido nieder: Nachmittags wird noch gesägt und gehämmert, abends wird der rote Teppich ausgerollt. Pressspandeko, Plastiklöwen und Fotografengeschrei. Ich werfe mich zwischen zwei Filmen ins Meer, liefere meinen Badekabinendamen Kurzkritiken: bellissimo oder una cazzata (Scheißdreck, ein Wort, das eine Dame nicht in den Mund nehmen sollte), und am Ende gewinnt der Film, aus dem ich rausgegangen bin. 

Am Ende der Saison, wenn ich meine Badesachen einpacke und ein letztes Mal auf den Horizont blicke, werde ich etwas wehmütig. Die Damen meiner capanna werden mir fehlen. Ihre giftigen Kommentare zur tausendvierhundertsten Korruptionsaffäre, ihre Tupper-Dosen und ihr Schwimmen, das im Wesentlichen aus dem Benässen der Unterschenkel besteht. Wie alle Venezianer:innen vergesse ich den Lido jetzt. Nur Nordeuropäer:innen kommen auf die Idee, im Winter Spaziergänge am Meer zu machen, mit Gummistiefeln und Regenjacke. Ich komme erst wieder, wenn die Holzstufen warm sind und die Geranien blühen.

Tipps für Hotels und Restaurants am Lido di Venezia

Gelateria da Tita

Eine Kugel Eis von „Tita" ist der perfekte Start für einen Lido-Besuch! Wenn Sie vom Vaporetto-Anleger kommen, laufen Sie einfach die Gran Viale Santa Maria Elisabetta geradeaus – dann sehen Sie nach wenigen Minuten links dieses Eiscafé – klein, liebevoll gestaltet, umlagert von Fans. 

Le Garzette

Das „Le Garzette“ ist ein tolles Countryhaus in Malamocco, versteckt inmitten von Artischockenfeldern, Weinreben und Tomatenpflanzen. Das Haus hat zehn Zimmer, aber auch Nicht-Hotelgäste können das Restaurant mit bester venezianischer Küche besuchen. Alles, was serviert wird, kommt aus eigenem Anbau. Wermutstropfen: Das Restaurant ist für Nicht-Gäste nur am Wochenende geöffnet – besser vorher anrufen! 

Ausflugsziele rund um den Lido di Venezia

Bagni Alberoni

Der Strand am südlichen Ende des Lido ist weniger überlaufen als die anderen – und günstiger. Man kann tageweise Liegen und Sonnenschirme mieten. 

Fahrradtour

Egal, wie gern Sie laufen, auf dem Lido (ja, die Insel, auf der der Strand liegt, heißt ebenfalls so) kommen Sie zu Fuß nicht weit! Sie können den Bus nehmen, am besten lässt sich die Insel aber per Fahrrad erkunden. Bei Sonnenschein werden Sie mit diesem Plan nicht der einzige sein. Lieber vorher beim Verleih anrufen! 

Jüdischer Friedhof

Südlich des Flughafens liegt der Cimitero Ebraico, auf dem viele Juden und Jüdinnen ihre letzte Ruhe fanden. Es ist ein ruhiger Ort – den Sie auch nur besuchen sollten, wenn Ihnen nach Ruhe ist. Fotografieren ist hier nicht erwünscht, was in Venedig durchaus mal gut tut. Der älteste Grabstein stammt aus dem14. Jahrhundert. Führungen (auch auf Englisch) veranstaltet die Jüdische Gemeinde.

Palazzo del Cinema

Seit 1932 findet das älteste Filmfest der Welt auf dem Lido statt – rund um diesen Palast. Wenn Sie Anfang September da sind: Sehen Sie sich hier einen der Wettbewerbsfilme oder das Treiben auf dem roten Teppich an.