© Oceanix/Big-Bjarke Ingels Group
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Schwimmende Hotels: Das steckt hinter dem weltweiten Trend

Weit weg von allem, garantierter Blick aufs Wasser: Stadtplaner und Architekten entwickeln treibende Hotels und Ferienhäuser – weil sie beliebt sind. Und an manchen Orten vielleicht auch bald die Rettung.

Text Silvia Tyburski
Datum 11.01.2025

Der Pionier war dem Untergang geweiht. Verankert im Great Barrier Reef wurde das erste schwimmende Hotel der Welt – das Four Seasons Barrier Reef Floating Hotel – im März 1988 eröffnet, um nur sechs Monate später wieder zu schließen. Dass Gäste seekrank wurden, weil das Haus nicht stabil im Wasser lag, war nicht der einzige Grund. Auch nicht, dass Stürme manchmal An- und Abreise verzögerten. Der Hauptgrund: Taucher hatten Panzerabwehrminen in der Nähe entdeckt, prompt brach die Nachfrage ein. Das Hotel wurde nach Vietnam verkauft, dümpelte in den Nullerjahren vor Nordkoreas Küste, bis Kim Jong-un es Geheimdienstberichten zufolge wegen „fehlenden Nationalcharakters“ 2022 verschrotten ließ. Dabei schlägt der Trend zu schwimmenden Unterkünften, zum Aquatic Living, jetzt erst so richtig Wellen. 

Seapods: Schwimmende Ferienhäuser in Panama

© Grant Romundt/Ocean Builders
Mit Abstand am schönsten: Seapods vor Panama.

Hausboote und Kreuzfahrtschiffe gab es schon vor dem Hotel im Great Barrier Reef, doch jenes Haus galt als das erste schwimmende Hotel. Unterkünfte auf dem Wasser seien der perfekte Ort, um runterzukommen, findet Grant Romundt, Chef der Firma Ocean Builders. Der Kanadier lebt seit Januar 2024 selbst auf dem Meer, etwa einen Kilometer vor dem Dorf Puerto Lindo an Panamas Nordküste. Hier stehen die drei Prototypen der Seapods, die seine Firma bauen lässt: futuristische, kapselförmige Häuser, die auf einer Säule drei Meter über einer im Meer verankerten Plattform stehen. 

„Mein Blutdruck ist enorm gesunken, seit ich im Januar hier eingezogen bin. Ich könnte stundenlang nur auf das Wasser schauen“, sagt Romundt im Videocall und trägt sein Tablet von einem Fenster zum nächsten, um den Blick aus seinem neuen Heim auf das Karibische Meer, die vorgelagerten Inseln und die zwei benachbarten Seapods zu zeigen. Vorbestellungen für die als Ferienhaus gedachten Meeresbehausungen kämen von Kunden aus aller Welt: Florida, Saudi-Arabien, Spanien, Montenegro. Ein Seapod mit etwa 84 Quadratmeter Wohnfläche kostet je nach Ausstattung rund eine Million Dollar. 

Schwimmende Hotels: Das Konzept der Zukunft

© Arctic Bath
Auf dem Wasser herrscht Ruhe – so auch im Arctic Bath Hotel in Schweden.

Besonders im gehobenen Preissegment treibt die Sehnsucht nach Ruhe und Losgelöstsein von der Welt einen Trend voran: Weltweit entsteht eine schwimmende Urlaubsresidenz nach der anderen – sei es als Ferienhaus wie der Seapod oder als Hotel. So wie das 2020 eröffnete Hotel Arctic Bath auf dem Lule älv in Schweden. Zu dem runden Hauptgebäude, das wie eine riesige Biberburg mit Tauchbecken in der Mitte aussieht, gehören sechs Häuschen auf Pontons mit eigener Terrasse. Mit ihren zwei schrägen Seitenwänden sehen sie aus, als würden sie sich mit aller Kraft gegen die Strömung stemmen. 

Das Hotel knüpft an die Bedeutung an, die der Fluss für die Region seit Jahrhunderten hat. Früher war er ihr wichtigster Transportweg, eine reiche Nahrungsquelle, und auch Saunieren mit eiskalten Bädern hat hier Tradition. All das findet sich heute im Hotel wieder: in den aus Holz gebauten Hütten und Stegen, auf der Speisekarte, im Spa-Konzept. Weitere Hotels auf dem Wasser werden derzeit geplant, darunter das Kempinski Floating Palace mit 156 Zimmern vor Dubais Küste, das 2026 eröffnen soll, entworfen von dem Unternehmen Seagate Shipyard. 

Anfragen für schwimmende Häuser steigen stetig

Doch oft ist es nicht nur die Sehnsucht nach der Nähe zum Meer, die solche Projekte antreibt. Weltweit ziehen immer mehr Menschen in urbane Räume, dort wird der Wohnraum immer knapper. Städte wie Amsterdam und kleine Staaten wie Monaco sehen eine Lösung darin, sich aufs Wasser auszudehnen. Häufig werden dafür neue Inseln geschaffen oder Häuser auf Pfähle gebaut, aber mit der Klimakrise und den steigenden Meeresspiegeln ist auch das keine dauerhafte Option. Eine mögliche Lösung: Bauwerke, die auf dem Wasser treiben und sich mit dem Meeresspiegel heben. 

Ein Architekt mit besonders viel Erfahrung im Bauen auf dem Wasser ist der Niederländer Koen Olthuis, der nicht nur Grant Romundts Seapods gestaltet hat, sondern auch derzeit 185 schwimmende Luxusvillen auf den Malediven und ein Hotel auf dem Drammensfjord in Norwegen plant. Der 53-Jährige war der Erste, der sich mit der Gründung seines Büros Waterstudio vor mehr als 20 Jahren auf das Bauen auf dem Wasser spezialisierte. Aber so viele Anfragen für schwimmende Unterkünfte wie derzeit hatte er noch nie. „Gerade gestern habe ich mit einem Entwickler in Belgien telefoniert", sagt er. „Der möchte dort Hotelzimmer auf einem See bauen lassen.“

Aquatic Living: Wie kam es zu dem Boom?

Olthuis, Spitzname „the floating Dutchman“, hat schon Hunderte Bauten entworfen, die heute auf Flüssen, Seen und Ozeanen auf der ganzen Welt schwimmen – von Tiny Houses bis zur privaten Villa mit Fahrstuhl. Er tut das nicht nur, weil es schön ist, auf dem Meer oder einem Fluss zu wohnen, sondern auch, weil es die Lösung eines Problems ist, das die Niederlande seit jeher betrifft: Etwa ein Drittel des Landes liegt unter dem Meeresspiegel. Weil der immer weiter steigt, hält Olthuis es für klüger, mit und auf dem Wasser zu leben, anstatt es zu bekämpfen und immer höhere Deiche zu bauen. 

Vorreiter für den Trend zum Wohnen auf dem Wasser, so Koen Olthuis, seien oft Hoteliers. Sie seien flexibler und offener als manche Regierung für neue Konzepte, die nicht nur gut aussehen, sondern auch pragmatische Lösungen für unsere Zeit anbieten. Vor dem Studium hat Olthuis selbst in der Branche gearbeitet, als Tellerwäscher und Chauffeur für das Sternerestaurant De Karpendonkse Hoeve in Eindhoven. In der Zeit habe er sich von der Gastronomie angezogen gefühlt und viel darüber nachgedacht, wie man es schafft, dass Menschen sich wohlfühlen. „Ich beobachtete, dass eine besondere Location sehr viel damit zu tun hat. Das hat mich definitiv inspiriert“, sagt er. 

Leben auf dem Wasser: Ein schwimmendes Quartier auf den Malediven

© Christopher Cypert
Ein weiteres Beispiel für Aquatic Living: Die Villen im Ritz-Carlton Fari Islands stehen im Nordosten der Malediven auf Pfählen im Wasser, jede öffnet sich zum Meer hin.

Neben Gastgebern fragen aber auch Stadtplaner bei Olthuis an. Weil von steigenden Pegeln nicht nur die Niederlande betroffen sind, hat er jetzt ein ganzes Stadtviertel entworfen, in dem ähnlich wie das Viertel IJburg im Osten Amsterdams Häuser auf riesigen Plattformen gebaut werden – nur ohne direkte Landanbindung und auf den Malediven. Die meisten Inseln des Archipels im Indischen Ozean liegen gerade mal einen Meter über dem Meeresspiegel. Prognosen der Weltbank zufolge könnte der Inselstaat bis zum Jahr 2100 komplett überflutet sein. 

Eine 15-minütige Bootsfahrt von der Hauptstadt Malé entfernt stehen bereits in leuchtendem Pink, Gelb, Blau und Grün die ersten vier Musterhäuser des Wasserquartiers, das einmal 5.000 Gebäuden und 20.000 Menschen Platz bieten soll – inklusive Cafés, Geschäften, Fußballplatz und Palmen, die mit recyceltem Abwasser gegossen werden sollen. Strom sollen Solarpaneele und Unterwasserturbinen liefern. „Ich habe dort selbst zur Probe übernachtet, und auch alle Einheimischen, die ein Haus kaufen möchten, können das tun, um ein Gefühl für das Wohnen auf dem Wasser zu bekommen“, sagt Koen Olthuis. Er selbst fand es „fantastisch“. Durch die Größe der miteinander verbundenen Plattformen und weil – anders als beim Four Seasons Great Barrier Reef Hotel – nicht zu sehr in die Höhe gebaut wird, liegen die Häuser sehr stabil im Wasser, sagt Olthuis, der selbst zu Seekrankheit neigt. 

Neues Projekt von Bjarke Ingels: Oceanix Busan

© Oceanix/Big-Bjarke Ingels Group
Ab 2025 soll vor der südkoreanischen Stadt Busan der sechs Hektar große Prototyp von Oceanix entstehen.

Ähnliches passiert derzeit gut 6.600 Kilometer Luftlinie nordöstlich von Malé. Vor Südkoreas zweitgrößter Metropole Busan soll zwischen 2025 und 2029 Oceanix Busan entstehen, ein auf dem Wasser schwimmendes Stadtviertel mit Hotels, Cafés, Wohnungen für 10.000 Einwohner und Kultureinrichtungen. An dem Projekt arbeiten unter anderem der isländische Künstler Ólafur Elíasson und der dänische Architekt Bjarke Ingels, dessen einfallsreiche Bauten in seiner Heimatstadt Kopenhagen, aber auch weltweit zu finden sind. Für Kopenhagen entwarf Ingels ein auf Pontons schwimmendes Freibad im Hafen, eine Müllverbrennungsanlage, auf deren Dach man Ski laufen kann, für das nordschwedische Harads ein Hotel in Baumkronen, das wie ein kugelförmiges Vogelnest aussieht und von 350 echten Vogelhäusern gerahmt ist. 

Jetzt also Oceanix, was ein bisschen nach einem Helden mit Superkräften klingt und gut zu dem dänischen Architekten passt, der früher einmal Comiczeichner werden wollte. Das Projekt in Busan wird in Zusammenarbeit mit UN-Habitat entstehen, dem Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen. Ingels kann dabei auch auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Mit seiner Famillie wohnt er auf einem ehemaligen Fährschiff, das er mit seiner Frau Rut Otero, ebenfalls Architektin, in ein stylishes, großzügiges Hausboot mit viel Licht, Designermöbeln und einer begrünten Terrasse verwandelt hat. „Immer wenn ein Schiff vorbeifährt, schwankt alles ganz sanft. Ich glaube, dass es unser Bewusstsein für die Welt um uns herum schärft, wenn wir auf dem Wasser wohnen“, sagte Ingels einmal in einem Interview. 

Wie sein niederländischer Kollege Olthuis schätzt auch er nicht nur den Genuss, den das Wohnen auf dem Wasser mit sich bringt, sondern auch den nützlichen Aspekt: Es sei, was steigende Meeresspiegel betrifft, eine unverwüstliche Art von Architektur. Denn das Hausboot würde ebenso wie das neue Viertel in Busan mit angehoben. Auch mehr Wohnraum lässt sich mit Behausungen auf dem Wasser schaffen, was gerade in teuren Metropolen wie Kopenhagen ungeheuer praktisch ist. Mit ähnlich schöner Aussicht wie Ingels leben die Studierenden in dem von ihm entworfenen schwimmenden Wohnheim Urban Rigger. Dafür hat er Container in hübsche Wohnwürfel mit solarbetriebener Fußbodenheizung und Panoramafenstern umgestaltet, aus denen man direkt ins Hafenwasser springen kann. Es gibt im Internet Videos, wie die Container mit Schleppern zu ihrem heutigen Liegeplatz gebracht wurden. 

Auf dem Wasser leben in London

Auf eine ganz ähnliche, abenteuerliche Reise ging das schwimmende Hotel, das der Niederländer Marten Dresen gegründet hat. Der Sozialunternehmer eröffnete das Good Hotel 2015 zunächst als Pop-up-Projekt in Amsterdam, um Arbeitslose für die Hotellerie auszubilden. Das auf einem Ponton gebaute Haus zog 2016 nach London um. Dafür schleppte ein Schiff das 8.000 Tonnen schwere Bauwerk vorbei an Windrädern und Deichen über den Ärmelkanal und die Themse bis zum Royal Victoria Dock, wo es heute liegt. 

„Es war eine aufregende Fahrt“, erzählt Mitarbeiterin Katie Brinsmead-Stockham. „In einer der Schleusen hatte das Hotel rechts und links gerade mal 50 Zentimeter Platz.“ An dem neuen Liegeplatz können die Gäste bei Sonnenuntergang einen Drink auf der Dachterrasse nehmen, mit Blick auf die nach Greenwich führende Seilbahn. „Besonders in einer Großstadt wie London schätzen die Menschen die Ruhe, die ihnen das Wohnen auf dem Wasser gibt“, so Brinsmead- Stockham.

Schwimmendes Hotel in Deutschland: Hafenkran Hamburg by Floatel

© Martin Haag
Hier zu sehen: die Hafenkran Lounge im Floatel, direkt auf der Elbe gelegen.

Von diesem Gefühl der Weltabgewandtheit, die man auf dem Wasser spürt, berichten auch die Gäste, die in Tim Wittenbechers Floatel übernachten – selbst wenn es nicht mitten im Ozean liegt, sondern in einem Hafenbecken mitten in der Stadt. Wittenbecher eröffnete mit einem Kompagnon 2018 im Hamburger Hafen eine Suite auf einem Schwimmkran, mit Blick auf das Wahrzeichen der Stadt, die Elbphilharmonie. „Viele sagen, dass sie sich hier ganz weit weg von allem fühlen, wie in einer Weltraumkapsel“, sagt Wittenbecher. „Ein beträchtlicher Teil unserer Gäste kommt sogar aus Hamburg. Für sie ist das eine kleine Flucht aus dem Alltag.“ Vielleicht ist dieser Vergleich mit dem Weltraum gar nicht so verkehrt. Koen Olthuis verweist immer dann, wenn jemand ihn für verrückt erklärt, weil er auf dem Wasser baut, auf einen seiner Mitarbeiter. Der träume schon von Häusern, die schweben.