© arthotel Blaue Gans
Genuss

Das älteste Gasthaus in Salzburg: Die „Blaue Gans“

Die „Blaue Gans“ ist das älteste Gasthaus Salzburgs. Jüngst hat sie sich nochmal neu erfunden: als feines Kunsthotel mit einer ganz eigenen Art von Luxus.

Datum 29.01.2021

Es ist eine hübsche Ironie der Geschichte, dass ein Haus, in dem heute Werke weltbekannter Künstler hängen, seinen Namen einer Arbeit verdankt, die so kryptisch war, dass sie keiner verstand. Das Konterfei des Tieres, das einst auf der Fassade prangte, sollte eigentlich einen Fasan darstellen, aber die Salzburger erkannten das fremde Tier nicht und gaben der Herberge mit den Jahren einfach einen anderen Namen: die „Blaue Gans“.

Zumindest blau ist das Haus wirklich. In einem zarten Azur glänzt das älteste Gasthaus der Stadt am Ende der Getreidegasse, Salzburgs berühmtester Straße. Hohe Beamte und Händler wohnten damals in den Häusern. Heute sind hier Filialen von McDonald’s, Zara und Jack Wolfskin zu Hause, über ihren Türen schaukeln auf alt gemachte Eisenschilder, nur das über der „Blauen Gans“ – das mittlerweile wirklich eine Gans zeigt – ist eines der wenigen, das schon seine Jahre gesehen hat. 

Darunter im Fenster steht das erste Kunstwerk des Hotels: ein rot leuchtender Schriftzug, dessen Lettern das Wort „SOLD“ buchstabieren. Es komme schon mal vor, dass Gäste das falsch verstehen, sagt Andreas Gfrerer. „Die glauben dann, wir hätten keine Zimmer mehr. Aber das ertrage ich.“

© Gulliver Theis
© arthotel Blaue Gans
© Ingo Pertramer

Hotel mit Familientradition

Es ist schließlich sein Hotel. Seit mehr als hundert Jahren ist das Haus im Besitz der Familie Gfrerer. Als er noch ein kleiner Junge war, lebte Andreas Gfrerer mit seinen Eltern in den privaten Räumen des Gebäudes. Im Untergeschoss befand sich außerdem der „Mexicano-Keller“, ein Jazzclub, in dem Legenden wie Ella Fitzgerald auftraten.

Er war gerade zum Studium nach San Francisco gegangen, als er auf einmal von seinen Eltern den Anruf bekam, dass der Pächter überraschend aufhöre – ob er das Haus übernehmen wolle? Damals hatte er in den USA die ersten von Ian Schrager, einst einer der Inhaber des legendären „Studio 54“, eröffneten Boutique-Hotels gesehen und dachte sich: „Das wäre doch was für Salzburg.“

„Wenn ich älter und weiser gewesen wäre, dann hätte ich wahrscheinlich mehr Bremsen eingebaut.“

Die Idee: So viel wie möglich der historischen Bausubstanz des Patri­zierhauses bewahren, aber gleichzeitig einen zeitgenössischem Zugang schaffen. Mehr Licht, mehr Offen­heit im Innenhof, in den er einen großen Glaskörper setzen ließ , und: mehr Kunst an den Wänden. 26 Jah­re war Gfrerer damals alt. „Gott sei Dank,“ sagt er und lacht. „Wenn ich älter und weiser gewesen wäre, dann hätte ich wahrscheinlich mehr Bremsen eingebaut.“ Im Juni 2002 eröffnete er die „Blaue Gans“ neu – als Salzburgs erstes „Arthotel“, elegantes Gast­haus und zugleich innovativer Ausstellungsraum.

© arthotel Blaue Gans
© arthotel Blaue Gans
© arthotel Blaue Gans

Videoinstallation, Kunstwerke, Skulpturen

Mehr als 140 zeitgenössische Kunstwerke hän­gen heute überall im Haus. Eine Videoin­stallation an der Rezeption, eine Fotografie vor dem Aufzug, ein von Joseph Beuys unterschrie­bener Holzscheit an der Wand der Brasserie. „Man­che der Kunstwerke sind wie Pflöcke, die eingeschlagen sind“, sagt Gfrerer. Der 49-­Jährige hat die Sammlung mit der Eröffnung des Hotels begonnen, zu vielen Arbeiten hat er eine persönliche Beziehung. 

Zum Beispiel die Rakete im Innenhof, auf den Namen „Vertigo“ getauft, eine Rakete mit Schwindelanfällen also, die der Perfor­mance-­Künstler David Moises und sein Partner Chris Janka am Eröffnungstag der Festspiele 2008 auf dem Herbert­-von-­Karajan-­Platz vor der „Blauen Gans“ starten ließen. Nur hatten sie die Rakete mit Heilschlamm statt mit Treibstoff befüllt, sodass die nicht nur eine Bruchlandung hinlegte, sondern auch eine ordentliche Sauerei veranstaltete – und somit das Festspiel­-Publikum mit den eigenen überzogenen Erwartungen konfrontierte.

„Ein Hotel ist keine Galerie.“

Wenn es etwas gibt, dass viele der Werke verbin­det, dann eine gewisse Verspieltheit. In einer Vitrine im Erdgeschoss sitzt zum Beispiel ein ausgestopfter Hase des Künstlers Benjamin Heisenberg, der auf Knopfdruck zu Rock­’n’­Roll­-Musik mit dem bu­schigen Schwanz wedelt. 

Einen besonderen Schwerpunkt hat die Sammlung ansonsten nicht. Wenn Gfrerer davon spricht, woran er merkt, dass ein Werk in das Hotel passt, dann atmet er tief ein und sagt: „Da ist so ein Lächeln, eine Freude, die von ganz unten aus einer Kindheitserinnerung kommt.“ Den elitären Anspruch vieler zeitgenössischer Kunst transportiert sein Haus gerade nicht. „Ein Hotel ist keine Galerie. Wir sind eigentlich eine riesengroße Sammelbox.“

Design in jedem Zimmer

Die Gemälde an den Wänden sind nur ein Teil der Kunst im Hotel. Die nach Farben eingerichteten Zimmer sind mit Designobjekten bestückt, denen die Gratwanderung gelingt, edel auszusehen und sich trotzdem gemütlich anzufühlen. Außerdem ist die „Blaue Gans“ immer wieder Schauplatz unge­wöhnlicher Kollaboration, etwa mit einer Pop­up­-Bäckerei, die in die Speisenmanufaktur des Hotels einzieht.

Für die kulinarischen Höhepunkte ist ansonsten das hauseigene Restaurant zuständig. Dazu gehören 

  • die Brasserie,
  • ein Weinarchiv,
  • ein Gar­ten
  • und ein Gewölbe mit einem guten Jahrhundert alten Wandvertäfelungen.

Dreimal musste sich Martin Bauernfeind be­werben, bevor er den Job als Küchenchef bekam – für überqualifiziert hielt Andreas Gfrerer den Spitzen­ koch, der zuvor bereits in zwei Hauben-­Restaurants gezaubert hatte. Wer an seiner neuen Arbeitsstätte vorbeikomme, rät der 47-­Jährige, müsse auf jeden Fall die Klassiker probieren: Wiener Schnitzel, Back­hendl, Schulterscherzel – da macht ihnen keiner was vor. Alles aus regionalen Produkten gemacht, mit modernen Einflüssen verfeinert. Aber Sterne oder Hauben wollen sie bewusst trotzdem nicht haben. Dieses Haus, es sei eben eigen, sagt der Küchenchef. „Die ›Blaue Gans‹ steht für sich.“

„Sie wollen keine Sterne mehr – lieber mehr gute Geschichten.“

Sie haben ein anderes Verständnis von Luxus in diesem Hotel. Das Vier­-Sterne­-Haus soll keinen fünften bekommen, das Restaurant lieber keinen einzigen. Luxus habe oft etwas ganz Billiges, findet Gfrerer. 

„Wir könnten dieses Haus noch viel eleganter machen – dann hätten wir wahrscheinlich keinen Kräutergarten im Innenhof, sondern eine Skulpturengalerie. Aber das ist nicht der Punkt.“ Gfrerer mag die Gäste, die er hat. Die „Blaue Gans“ soll offen bleiben für Menschen, die keine Millionen auf dem Konto haben. Und die nach ein bisschen mehr suchen als bloß einem Platz zum Schlafen.

© arthotel Blaue Gans
© arthotel Blaue Gans
© arthotel Blaue Gans

Natürlich seien Hotels immer Orte des Transits, sagt Gfrerer, aber in der „Blauen Gans“ gebe es die Einladung, wirklich an­ zukommen und anzudocken. „Es ist immer schon eine Herberge gewesen für jene, die unterwegs sind, auch im übertragenen Sinne.“ Viele Hotels haben eine lange Geschichte, aber nur wenige schreiben so viele schöne Kapitel wie dieses Haus. 

Manchmal gibt die „Blaue Gans“ Andreas Gfrerer sogar die Chance, seine eigenen Idole kennenzulernen. Wie den renommierten Künstler William Kentridge, der schon zweimal bei ihm eincheckte und einen Linol­schnitt zurückließ, der im Treppenhaus hängt. Eines Tages sagte Kentridge, er wolle gerne mehr vom Land sehen. Gfrerer erklärte sich sofort bereit, fuhr den Südafrikaner und seine Frau zum Schloss Fuschl, zeigte ihnen die wunderschönen Seen, führte sie zum Essen aus. Eine Spritztour mit einem Starkünstler. „Wenn ich an seinem Werk vorbeigehe, dann erinnere ich mich daran“, sagt Andreas Gfrerer. „Ein Geschenk so was.“

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