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Interview

Naturfilmer Jan Haft über die Magie der Fjorde: „Wie in einer anderen Welt“

Am Grund der norwegischen Fjorde herrscht tiefschwarze Finsternis. Kein Problem für Naturfilmer Jan Haft, der sich in Norwegens eiskalten Gewässern auf Tauchstation begeben hat und hier bizarre Wesen traf. Im Gespräch mit Merian bringt er Licht ins ewig Dunkle.

Text Mila Krull
Datum 31.10.2023

In nur wenigen Metern Tiefe beginnt eine andere Welt: Dort wo die norwegischen Fjorde steil hinabsinken und das Wasser nur wenige Grad misst, fühlen sich sonderbare Wesen wohl: Seesterne, Quallen, Seefedern, Muscheln und andere Bewohner bevölkern den Grund der berühmten Gewässer. 

Für seine prämierte DokuMagie der Fjorde“ hat sich der bekannte Naturfilmer Jan Haft in die dunklen Gefilde begeben. Tagelang lag er dafür am Grund des Fjords auf der Suche nach Tieren, Pflanzen und besonderen Begegnungen. Trotz extremer Bedingungen stieß er hier unten auf eine überraschend große Artenvielfalt und ein faszinierendes Ökosystem. Mit Merian sprach er über den bewegendsten Moment seiner Drehreise und verriet, wie es sich anfühlt, mit jagenden Orcas zu tauchen. 

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Jan Haft: Zu Besuch in einer anderen Welt

Naturfilmer Jan Haft und ein Taschenkrebs © Nautilusfilm
Naturfilmer Jan Haft auf Tauchstation am Grund der Fjorde.

Merian: Was macht für dich die Magie der Fjorde aus? 

Jan Haft: Das Tolle an Fjorden ist, dass sie eigentlich Tunnel der Tiefsee sind, die ins Land hineinragen. Das tiefe, dunkle und kalte Wasser des Atlantiks verzahnt sich mit dem Land und der offene Ozean ragt weit ins Landesinnere.

Was hört man, wenn man in einen Fjord abtaucht?

Das Wasser überträgt den Schall viel besser als die Luft. Man hört also weit entfernte Fischerboote, die Brandung, das Knistern und Knacken des Meeresbodens und manchmal sogar die Gesänge der Wale. Das klingt unglaublich beeindruckend. Es ist also nicht leise da unten, aber man befindet sich in einer gedämpften Umgebung, in der man sich mit den Ohren nicht mehr orientieren kann. So wie der Fisch an Land, ist auch der Mensch im Wasser in einer anderen Welt, in die er eigentlich nicht gehört.

Seltene Seefedern am Grund des Fjords

Leuchtende Seefedern am Meeresgrund © Nautilusfilm
Faszinierender Anblick: die leuchtenden Seefedern der Fjorde

Wie unterscheiden sich die Fjorde von anderen Gewässern? 

Es gibt andere Küsten-Gebiete in Norwegen, in denen das Wasser immer flacher wird und Wellenschläge das lichtdurchflutete Wasser aufschäumen. In den Fjorden herrschen andere Verhältnisse: Es gibt Orte, an denen die Felswände senkrecht in abenteuerliche Tiefen abfallen. Wenn man hineinspringt und abtaucht, findet man sich nach nur wenigen Metern in einer Umgebung wieder, die der Tiefsee ähnelt.

Inwiefern wirkt sich das auf die Lebewesen im Fjord aus?

Die Fjorde werden aus den anliegenden Wäldern und dem Land gespeist. Aus Falllaub, Vogelkot und anderen Abbauprodukten entstehen Nährstoffe, die bei Regen und Wind aus den vielen Bächen in die Fjorde gespült werden. Es bildet sich ein Nährstoffregen, der ähnlich wie in der Tiefsee hinabsinkt, und den Lebenskreislauf auf dem Grund der Fjorde befeuert.

Welcher Moment oder welche tierische Begegnung war dein persönliches Highlight der Drehreise?

Die leuchtenden Seefedern waren das Tollste, was ich auf der ganzen Drehreise und vielleicht auch auf vielen anderen Drehreisen jemals gesehen und selbst erlebt habe. Diese Seefedern leben üblicherweise in großen Tiefen. Nur unter ganz bestimmten Bedingungen, wenn das Wasser ruhig, dunkel und kalt ist, findet man sie auch in den Bereichen der Fjorde, die für mich als Froschmann erreichbar sind. 

Jan Haft: „So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen“

Das fluoreszierende Licht der Seefedern © Nautilusfilm
Die Seefedern können fluoreszieren und phosphoreszieren.

Wie ist es dir gelungen, das seltene Spektakel der leuchtenden Federn zu filmen?

Von einem Bekannten, der in Norwegen professionell taucht, habe ich den Tipp erhalten, in welchem Fjord ich diese Seefedern schon in 25 Metern Tiefe finden kann. An dieser Stelle habe ich mich an acht Tagen hintereinander von einem Boot aussetzen lassen und bin bei der Abenddämmerung bis auf 25 Meter abgetaucht. Ich bin dann immer ganz ruhig am Meeresboden gelegen, habe dafür die Luft aus meinem Anzug gelassen, und gewartet bis sich das Wasser ganz beruhigt hat und um mich herum kein Schlamm mehr aufgewirbelt war. Auch die Augen müssen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Dann – auf einmal – sieht man, wie die Tiere glimmern. Das war ein wirklich einmaliges Erlebnis, denn ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen oder gefilmt. 

Bei den Dreharbeiten habe ich die Seefedern mit ultraviolettem Licht beleuchtet, was dazu führt, dass sie fluoreszieren. Ein weiteres Phänomen tritt ein, wenn die Seefedern von anderen Meerestieren wie etwa Fischen oder Krebsen berührt werden. Dann geben sie helle Lichtblitze ab, das ist das sogenannte Phosphoreszieren. 

Was ist der genaue Unterschied zwischen fluoreszieren und phosophorezieren?

Beim Fluoreszieren werden Eiweiße angeregt, die zu Lichteffekten führen. Dabei handelt es sich nicht einfach nur um gespiegeltes Licht, sondern es ist ein echtes Nachleuchten der Organismen. In der Forschung weiß man noch nicht genau, wofür diese Eigenschaft eigentlich gut ist. Man geht jedoch davon aus, dass bläuliche Lichtanteile des Mondlichts das Fluoreszieren anregen, das eine Art Signalwirkung auf andere Organismen hat.

Beim Phosphorisieren geben die Seefedern aktiv Lichtblitze ab, um sich durch diesen Schreckmoment vor Fressfeinden zu schützen und diese abzuwehren. Dabei leuchten die Seefedern eigenständig, ähnlich wie etwa Glühwürmchen.

Wie findet man in den Weiten der Fjorde wenige Millimeter große Tiere wie etwa die Larven eines Seesterns?

Die Seesternlarven sind wirklich winzig und nur wenige Millimeter groß. Um sie zu finden, dümpelt man tatsächlich für längere Zeit im Wasser. Man schielt dabei durch die Taucherbrille und untersucht das Wasser direkt vor der eigenen Nase. Glücklicherweise treten die Larven meist in großen Mengen auf, da Seesterne ungeheuer viele Eier ablegen. So hat man gute Chancen, die kleinen Tiere zu entdecken. 

Auf Tauchgang mit Orcas

Orcas mit Kalb schwimmen im Fjord © Nautilusfilm
Orcas und ihre Kälber suchen in den Weiten der Fjorde nach Heringsschwärmen.

Du hast für deinen Dokumentarfilm über Fjorde auch jagende Orcas gefilmt. Was ist das für ein Gefühl? 

Ich wurde bei den Dreharbeiten von Experten unterstützt, die jede Menge Erfahrungen mit Walen haben. Es ist wirklich beeindruckend, wenn man im Wasser taucht und in zehn Meter Entfernung plötzlich ein acht Meter langer Orca-Bulle erscheint – ein unbeschreibliches Gefühl! In diesem Moment hatte ich keine Angst mehr vor diesem riesigen Raubtier. Gleichzeitig war ich so beeindruckt, dass ich Mühe hatte, mich auf die Kamera zu konzentrieren. 

Was kannst du Norwegen-Reisenden empfehlen, die die Fjordwelt selbst erkunden wollen?

Dank ihrer landschaftlichen Kulisse sind die Fjorde im Süden Norwegens besonders spektakulär. Der Lysefjord etwa ist sehr tief eingeschnitten und bietet dramatische Bergszenerien direkt am Wasser. Je weiter man nach Norden kommt, desto artenreicher werden die Fjorde im Sommer und desto beeindruckender finde ich ihre Tierwelt. Auch der äußerste Norden Norwegens ist meines Erachtens eine Reise wert, weil man dort riesige Schwärme von Vögeln beobachten kann. Zudem wird die Landschaft immer einsamer.