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Sehenswürdigkeiten

Die Marken: Italiens unbekannte Schönheit

Noch gelten die Marken als italienischer Geheimtipp: Der eher unbekannte Landstrich überrascht mit weißen Stränden, eindrucksvollen Naturwundern und köstlichen Trüffeln satt. Eine Entdeckungsreise in eine unterschätzte Region.

Datum 20.04.2023

„In Mailand denkt man, sie liegen an der Grenze nach Afrika, in Palermo werden sie in der Nähe der Schweiz vermutet“, schrieb der italienische Reiseschriftsteller Guido Piovene im Jahr 1957 über die Marken. Die wohl am wenigsten beachtete der 20 Regionen Italiens liegt ziemlich genau dazwischen, nämlich südlich von Rimini und vis-à-vis von Livorno. Wenn die Toskana auf der Stiefelhalbinsel das Schienbein repräsentiert, verkörpern die Marken die Wade.

Das vom Massentourismus weithin verschonte Kleinod hält allerlei Überraschungen parat: eines der spektakulärsten Naturwunder Italiens, die Tropfsteinhöhlen von Frasassi, eine bemerkenswerte Dichte an historischen Theatern und eine Trüffelhochburg, die dem Vergleich mit dem Piemont standhält. Wegen der diversen für sein Heimatland charakteristischen Vorzüge adelte der Reisebuchautor Piovene den Landstrich als „Destillat Italiens“. In der Tat, die Marken sind Italien im Miniatur-Format, und aufgrund ihrer Lage jenseits der Hauptverkehrsachsen zwischen Mailand und Rom konnten sie sich viel vom alten Charme Italiens bewahren.

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Ancona, die Hauptstadt der Marken

Weiße Kiesstrände in Sirolo, Italien © imago/agefotostock
Die weißen Kiesstrände von Sirolo

Wer sich in den Marken umsehen will, kommt an der Regionalhauptstadt Ancona nicht vorbei. Die Hafenstadt liegt an der Adria-Autobahn 120 Kilometer südlich von Rimini, hat einen kleinen Flughafen, einen etwas größeren Bahnhof und vor allem einen stark frequentierten Fähranleger, der Italien mit Griechenland, Kroatien und der Türkei verbindet. Es lohnt sich zu bleiben, schon allein, weil es in den Marken abseits der Hauptsaison so gemütlich zugeht.

Gleich hinter Ancona schlängelt sich eine Panoramastraße zur Conero-Riviera. Auf der einen Seite steile Kreidefelsen, die ins tiefblaue Meer abfallen, auf der anderen Seite charmante Badeorte wie Portonovo oder Sirolo. Die Bewohner:innen Anconas haben es gut, ihre Hausstrände zählen zu den schönsten der Adria. Rund um die Balkonpiazza Sirolos machen stilvoll gekleidete Italiener:innen eine gute Figur – genau wie die blau-weiß gestreiften Liegen und die malerischen Sonnenschirme von Sirolo und Umgebung. Typisch italienische Szenen eben.

Loreto: Bedeutender Wallfahrtsort in Europa

Der Vollmond steigt über der Stadt Loreto auf © imago/nurPhoto
Beliebter Wallfahrtsort: Loreto in den Marken

Südlich der Conero-Riviera warten die Marken mit einem weiteren Superlativ auf: Loreto ist neben Lourdes der bedeutendste Wallfahrtsort Europas – weil Engel das Haus der Mutter Gottes einst nach Loreto transportiert haben sollen, zieht der 12.000-Seelen-Ort Pilger:innen aus aller Welt an und verschafft den Bewohner:innen ein gutes Auskommen durch den Verkauf von Rosenkränzen, Heiligenfiguren und Gebetsringen.

Weinberge dominieren die Gegend rund um Jesi. Diesen Ortsnamen haben die meisten Deutschen schon einmal gehört: Entweder, da sie gern spritzigen Weißwein trinken und ihnen schon einmal die Etikett-Aufschrift „Verdicchio dei Castelli di Jesi“ untergekommen ist oder aber, weil der Geschichtsunterricht noch nicht so lange her ist. 

Auf der heutigen Piazza Federico II wurde anno 1194 der spätere Stauferkaiser Friedrich II. geboren. Angeblich wollte seine für damalige Verhältnisse recht alte Mutter mit dieser öffentlichen Geste ihre Gebärfähigkeit beweisen. Die etwa 70 historischen Theater sind ein Wahrzeichen der italienischen Marken. Ein besonders prunkvolles Exemplar liegt im Stadtkern von Jesi: Mit seinen vergoldeten Balustraden und bemalten Deckengemälden bereitet das Teatro Pergolesi epochalen Opern und Theateraufführungen formvollendet die Bühne. Gepflegte Weine aus der Region können Besucher:innen bei der anschließenden Weinprobe in einer der lokalen Kellereien genießen.

Sehenswürdigkeit der Marken: Die Grotten von Frasassi

Stalagmiten in den Tropfsteinhöhlen von Frasassi © Nicola Fittipaldi/Unsplash
Gigantische Strukturen: Die Tropfsteinhöhlen von Frasassi

Dem jungen Abenteurer Rolando Silvestri müssen die Augen übergegangen sein, als er sich am 25. September 1971 am Nordhang des Monte Vallemontagnana in eine Spalte abseilte. An jenem Tag entdeckte er mit einer Gruppe Höhlenforscher:innen aus Ancona Tropfsteinhöhlen von gigantischem Ausmaß. Bis heute stockt Besucher:innen der Atem, die das labyrinthische Höhlensystem aus märchenhaft geformten Säulen, Kristallseen und hellrosa schimmernden Kalksteinwänden zum ersten Mal betreten. Insgesamt sind die Grotten von Frasassi rund 18 Kilometer lang. Allein in der ersten Halle hat der Mailänder Dom bequem Platz, erklärt der Höhlen-Führer beim Gang durch die kristalline Zauberlandschaft.

Angesichts 20 Meter hoher Stalagmiten, glitzernder, versteinerter Wasserfälle und zerbrechlich wirkender Orgelpfeifen aus Stein, die im Halbdunkel noch verwunschener wirken, werden Besucher:innen von ehrfürchtigem Staunen erfasst. Grottengänger:innen sollten auch während der heißen Sommermonate einen Pullover oder eine Strickjacke mitnehmen, denn in der unterirdischen Wunderwelt herrschen Kühlschranktemperaturen.

Acqualagna: Trüffel aus den Marken

Kaskaden und grüne Hügel in der Gemeinde Acqualagna © istock/stevanZZ
Die Gemeinde Acqualagna ist für ihre Trüffel bekannt.

Wellige Hügel umgeben Fabriano, im Mittelalter war das Städtchen die Wiege der europäischen Papierkunst. Wie seit dem 13. Jahrhundert Papier geschöpft wird und wie die Papierkünstler:innen filigrane Symbole auf dem Schöpfsieb anbrachten, um Wasserzeichen herzustellen, erfahren Reisende im Papiermuseum. Weiter geht es in die Trüffelhochburg Acqualagna.

Ambra und Chicca sind einfach nicht zu bändigen. Unentwegt sausen die beiden Trüffelhunde durch Wald und Wiesen. Sie schnüffeln und scharren, springen herum – plötzlich hat einer der Hunde eine Knolle im Maul, die er bei seinem Herrchen gegen ein Leckerli eintauscht. Rund um Acqualagna haben Trüffel das ganze Jahr über Saison, im Sommer erschnüffeln die Hunde schwarze, im Winter die noch aromatischeren und teureren weißen Trüffeln, die zu Kilopreisen von 3.000 Euro über den Ladentisch gehen. 

Ob auf geröstetem Brot, über hausgemachte Bandnudeln gehobelt oder zum Kalbsschnitzel: Im Trüffelrestaurant „La Ginestra“ bringen Nico Giacomel und sein Team die seltenen Knollen in jeder nur denkbaren Kombination auf den Tisch. Das Restaurant liegt am Ende einer eindrucksvollen Schlucht, durch die sich ein grüner Fluss schlängelt. Das Felsmassiv Gola del Furlo ist schon ohne Trüffel-Spezialitäten einen Ausflug wert, als Landschaftskulisse für Trüffel-Schlemmereien kommt es dem Schlaraffenland fast gleich. 

Renaissance in Urbino

 Palazzo Ducale von Urbino © Imago/H. Tschanz Hofmann
Der Palazzo Ducale erhebt sich über der Altstadt von Urbino.

In Raffaels Geburtsstadt Urbino ist die Renaissance allgegenwärtig. Außer dem Geburtshaus des Malers steht natürlich der Besuch des Fürstenpalastes an, wo aus allen Winkeln der moderne Geist dieser Kunstepoche dringt. Jeder Treppenaufgang, jedes Gemälde und jede Verzierung repräsentiert eindrucksvoll den unbändigen Schönheitsdrang der italienischen Renaissance

Die belebte Universitätsstadt ist fest in der Hand von Studierenden, die in den Arkaden-Cafés sitzen und Lehrbücher über Raffael und Urbinos Fürsten Federico da Montefeltro studieren. Im süßen Nichtstun üben sich dagegen die Anhänger der Espresso- und Aperitif-Kultur in den Badeorten Fano und Gabicce Mare. Einfach an der Strandpromenade Platz nehmen, über die Kopfhörer Adriano Celentanos Italien-Hymne „Azzurro“ abspielen und die strahlenden Blautöne von Himmel und Meer an der Adria bewundern – das ist italienische Lebensart.

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