Kreuzfahrt in Eigenregie: MERIAN-Redakteurin Tinka Dippel fuhr auf einer schwimmenden Hütte durch Brandenburg und weiß nun, dass ihre Familie eine Spitzen-Crew ist. Und dass Entspannung einen guten Schuss Adrenalin verträgt. Plus: Hausboot-Tipps von Mecklenburg-Vorpommern bis zur Lahn.
Nichts vermissen, vollkommen entspannt sein beim Gedanken, dass es ruhig ewig so weitergehen könnte, alles loslassen – bis auf das Steuerrad. Das ist ein sehr kostbarer Zustand. Selten hat er sich so schnell bei mir eingestellt wie in Brandenburg auf einem Hausboot namens „Finchen“, selten hat eine einzige Urlaubswoche so viele Bilder ganz fest bei mir eingebrannt.
Die Familie groovte sich ein, „Finchens“ 20 Tonnen Gewicht und unsere Fertigkeiten an Steuerrad, Pollern und Seilen. Schon nach kurzer Zeit war dieses Boot für uns einfach nur noch das ideale kleine Stückchen Welt, eine schwimmende, gemütliche Hütte mit Sonnenterrasse, die uns ganz langsam durch eine sehr satte, sehr grüne und sehr tiefenentspannte Landschaft südöstlich von Berlin trug. Ich fühlte mich wie auf einer Kreuzfahrt in Miniatur und Eigenregie – einer, der genau all das fehlt, was mich immer davon abgehalten hat, über eine Kreuzfahrt auch nur nachzudenken.
Unter den Passagieren nervten nur die Mücken, der Käpt’n war mein Freund, das Büfett ein Zufallsmix aus Fisch, Pommes und dem, was der kleine Kühlschrank so hergab. Das Unterhaltungsprogramm bot viele nicht vorprogrammierte Wow-Momente: wenn wir mal wieder aus einem Wasserlauf in die Weite eines Sees einfuhren, wenn dicke Libellen uns am Captain’s Table wie Mini-Helikopter umschwärmten.
Adrenalin und die Schleusen
Mit dem Hausboot unterwegs zu sein, ist nicht die Art von Urlaub, bei dem man sich um nichts kümmern muss. Abends irgendwo anzulegen, ist keine Selbstverständlichkeit. Und wenn wir uns einer der Schleusen näherten, sagte mir mein Adrenalinspiegel schon eine halbe Stunde vorher, dass ich nicht halb so entspannt damit war wie ich tat. Meistens fand sich aber jemand, der sich noch unsouveräner anstellte als wir, und so blieb mir die Schleuserei als Happening, dirigiert von humorvollen Wärtern, in Erinnerung.
Für eine Woche waren wir Teil einer Hausboot-Community – der wir uns nicht dauerhaft angeschlossen haben. Keiner von uns hat einen Bootsführerschein gemacht. Aber dass es da draußen viele „Finchens“ gibt, auf denen wir auch ohne fahren dürfen, ist ein schöner Gedanke.
Die größten und beliebtesten Hausboot-Reviere liegen in Brandenburg und Mecklenburg. Aber auch Berlin lässt sich schwimmend erkunden. Auf mehr als 700 Kilometern sind Wasserstraßen in Deutschland ohne Sportboot-Führerschein befahrbar – mit entsprechenden Booten (maximal 15 Meter lang, nicht schneller als zwölf Stundenkilometer) und einer Charterbescheinigung, die man nach einer dreistündigen Einweisung bekommt, die aber nur für die Mietzeit und das genannte Revier gilt.
Von Spree bis Lahn
Unsere Autorin hat im brandenburgischen Dahme-Spree-Seengebiet südöstlich von Berlin gute Erfahrungen gemacht. Sehr beliebt ist die Mecklenburgische Seenplatte rund um Müritz, Plauer See und Kölpinsee. Aber auch Flüsse wie Saale, Saar und Lahn bieten sich abschnittsweise an. Wichtig ist, gutes Kartenmaterial dabeizuhaben, über Anlegeplätze informiert (und möglichst dort angemeldet) zu sein und das Wetter im Blick zu behalten. Auch die Vorbereitungslektüre des Vercharterers sollte man ernst nehmen.
Ein schwimmendes Zuhause auf Zeit bieten sie alle, äußerlich, in der Größe und der Fahrweise unterscheiden sie sich aber teils sehr. Unsere Autorin war mit einem „Kormoran 1140“ des Vercharterers Kuhnle Tours unterwegs, einem der Platzhirsche in Brandenburg und an der Müritz. Optisch sind Kormorane mehr Boot als Haus – anders als etwa die schwimmenden Blockhütten von BunBo, die in denselben Revieren unterwegs sind. Weitere große Anbieter sind Le Boat und Locaboat. www.kuhnle-tours.de www.bunbo.de
Auch Teile Berlins kann man ohne Führerschein erkunden. Der Berlin Bootsverleih etwa hat geräumige Ponton-Hausboote für so einen Wasser-City-Trip im Angebot. So schön die Vorstellung, am Kanzleramt vorbeizuschippern ist: In der Innenstadt herrscht Führerscheinpflicht. www.berlin-bootsverleih.com
In aller Ruhe schlängelt sich die Lahn durch Hessen und Rheinland-Pfalz, so gemächlich, dass sie in weiten Teilen ohne Führerschein befahrbar ist. Auf der Strecke liegen Limburg, Nassau, Bad Ems und jede Menge Schlösser und Burgen. www.hausboote-lahn.de www.lahn-hausboot-charter.de
Nicht, dass die Wasserwelt schnell eintönig würde, aber es lohnt sich oft, Räder mitzunehmen (geht nicht auf allen Bootstypen!), um mal die Perspektive zu wechseln – etwa auf der Mecklenburgischen Seenplatte, die ein ideales Revier für Hausboote ist. www.mecklenburgische-seenplatte.de
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