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Zugreisen

Amtrak-Zugreise: Einmal quer durch die USA

Fünf Tage Schienenrattern: Eine Zugfahrt quer durch Nordamerika ist akustisch eintönig, aber ansonsten: die pure Vielfalt. Spektakuläre Landschaften, Canyons, Felder, Flüsse. Langeweile? Davon keine Spur.

Datum 04.08.2024

Frühmorgens an einem kalten Tag in Seattle. Am Bahnhof ertönt die Durchsage: Eine Schlammlawine versperre die Strecke. Der Zug könne nicht fahren. Nach langem Warten heißt es: ab mit Bussen nach Portland. Leider verschleiert Nebel die Blicke auf bekannte Vulkane wie den Mount Rainier. 

Mit Verspätungen, Umleitungen und Ersatzverkehr sind Zugreisende nicht nur in Deutschland geschlagen, auch in den USA kommen sie häufig vor. Dafür aber locken unterwegs ganz andere Dimensionen. Tausende Kilometer lange Strecken, spektakuläre Natur in Überdosis: Zugfahren in den USA ist ein unvergessliches Erlebnis.

Zugreise von Seattle nach Sacramento

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Seattle mit Blick auf den Mount Rainier im Hintergrund

Man kann tage- oder sogar wochenlang durch das drittgrößte Land der Welt mit den Bahnen von Amtrak reisen. Mit über 30 Linien und knapp 34.500 Schienenkilometern ermöglicht das Zugunternehmen Fahrten innerhalb der USA und auch teilweise in Kanada zu über 500 Zielen in 46 Staaten. So wirbt Amtrak auf seiner Webseite. Für uns geht es auf einer der wohl atemberaubendsten Strecken von Seattle nach New York.

Mit einigen Stunden Verspätung startet in Portland schließlich die Zugreise nach Sacramento in Kalifornien. Schon beim Anblick des silberglänzenden Schienengespanns fühlt man sich wie in einem Hollywood-Film - es riecht nach Abenteuer.

Doch die erste Nacht auf einem ganz normalen Zugsitz - Schlafabteile sind vergleichsweise teuer - gerät ziemlich ungemütlich. Eine eigene Decke und Kopfkissen sind ein Muss. Um 6 Uhr klingelt der Wecker. Umstieg in Sacramento vom Coast Starlight-Zug in den California Zephyr.

Im Sightseeing-Waggon durch die Rockys

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Herrliche Aussicht: Im Panoramawagen haben Fahrgäste alles im Blick.

Die Strecke des legendären Zuges führt von der San Francisco Bay bis nach Chicago und bietet somit die längste durchgehende Fahrten in den USA. Es geht über drei Tage durch sieben Bundesstaaten, laut Kelly Just, Sprecherin von Amtrak, die beliebteste Langstrecke in den USA. Spektakuläre Abschnitte in den Rocky Mountains warten - und nicht nur die.

Um die Natur besonders zu bestaunen, bietet der Fernzug, wie andere Zuglinien auch, ein Highlight für Schaulustige: den Sightseeing-Waggon. Durch riesige Panoramafenster verschmilzt der Zug mit der Natur.

So schlängelt sich der Silberpfeil durch die verschneiten Berge von Kalifornien zunächst bis nach Reno in Nevada. Das Abteil mit den Fensterfronten ist voll besetzt. Tourist:innen und andere Reisende sitzen quer zur Fahrtrichtung, um den perfekten Blick nach draußen zu genießen. Als die Sonne sich verabschiedet, ist das Bedauern groß.

Hier finden Sie Infos, Routen und Highlights des California Zephyr.

Die Wüsten und Canyons von Utah

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Vor allem Güterzüge rattern über das amerikanische Schienennetz – wie hier in Salt Lake City.

Aber schon beim Aufstehen geht das Staunen weiter. Die Lichter von Salt Lake City in Utah brennen noch, von hinter den Bergen schimmert das Tageslicht immer heller. Der Zug schaukelt hin und her, tastet sich streckenweise langsam vorn, die Natur fährt die ganze Bandbreite auf: Erst ziehen schneebedeckte Berge vorbei, dann die Wüsten von Utah. Schließlich dringt der California Zephyr in tiefe Canyons vor.

So viel Vielfalt in vergleichsweise kurzer Zeit muss man erst einmal verarbeiten, doch die Landschaft ist einer der Hauptgründe, aus denen sich Kund:innen auf eine Amtrak-Fernreise begeben, hat eine Befragung ergeben. 

Manchmal geht es entlang einsam gelegener Häuser - wie im Wilden Westen. Inmitten einer Wüste, entrückt der Zivilisation. Solche Einblicke in die USA, in Gegenden, wo es teilweise keine richtigen Straßen gibt, sind so bequem wohl nur auf einer Zugfahrt zu gewinnen - wenn auch lediglich im Vorbeigleiten.

Nächste Strecke: Denver bis Chicago

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Die Union Station in Reno, der „größten Kleinstadt der Welt“

Dass von Küste zu Küste schon vor über 150 Jahren Züge fuhren, ist schwer vorstellbar. Als erste Zugstrecke in Nordamerika führt die Association of American Railroads die Baltimore and Ohio Railroad anno 1827 auf, 1830 beginnt in South Carolina der erste regelmäßige Personen-Zugverkehr in den USA, und 1869 wird die erste transkontinentale Linie zwischen den Goldgräberstädten der Westküste und den Zentren der Ostküste vollendet.

Schließlich, nach 30 Stunden, kurvt der Zug durch die Rocky Mountains in Richtung Denver, die Mile High City, deren Capitol eine Meile über dem Meeresspiegel liegt. Weiterfahrt nach Chicago, durch die Nacht, der Zug ist jetzt vergleichsweise leer. Dieses Mal beim Aufwachen keine traumhaften Berge, nur Felder. Doch die Faszination bleibt angesichts der Weite, die wieder daran denken lässt, dass man über Tausende Kilometer quer durch ein Land fährt.

Zwischendurch überquert der Zug den Mississippi River. Langsam zuckelt er über eine Stahlbrücke. Wenige Stunden später erreicht der California Zephyr den Endhaltepunkt Chicago, sogar pünktlich. Irgendwo auf der Strecke muss er Zeit gut gemacht haben. Es bleiben ein paar Stunden, um die Stadt zu erkunden, bevor die letzte Etappe ansteht.

Am späten Abend setzt sich der tägliche verkehrende Lake Shore Limited Train in Bewegung, mit dem es in knapp 20 Stunden nach New York City geht. Jetzt ist viel Zivilisation an Bord, die Waggons sind rappelvoll. Das Wetter ist schlecht, die Sicht unspektakulär. Zeit bleibt fürs Sinnieren - zu dem die Langstrecke viel Zeit bietet.

Endstation New York

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Wer von Westen mit dem Zug anreist, erreicht New York über die Hudson Yards Station.

Andererseits wecken die vielen weltbekannten Attraktionen auf einer Zugreise quer durch die Staaten auch selbst Assoziationen und Erinnerungen: etwa der Hudson River, der als Highlight in den letzten Stunden entlang der Trasse der ständige Begleiter ist. 

Auf diesem Fluss geschah vor 15 Jahren das „Wunder vom Hudson, die Notlandung eines Passagierflugzeuges. Ein Schwarm Gänse war in die Triebwerke geraten. Der Pilot landete den Flieger sicher auf dem Hudson River in New York City. Die Bilder gingen um die Welt.

Und dann erscheint als unser Ziel New York City am Horizont. Das Abenteuer ist zu Ende: einmal quer durch die USA, fünf Tage Zugreise, 13 Staaten, rund 6.600 Kilometer auf Schienen. Und kaum eine Sekunde Langeweile.

– Finn Huwald, dpa