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Erleben

Winterurlaub in Kanada: Der Zauber von Québec

Wenn es eine Region gibt, die Schnee und Kälte so richtig zelebriert und in Szene setzt, dann ist das Québec. Merian-Autorin Katja Trippel hat sich dick eingepackt und gibt Tipps für die winterliche Welt im Osten Kanadas.

Text Katja Trippel
Datum 06.11.2024

Eine „gute Kälte“ beginnt für Francis Phaneuf bei minus zehn Grad und dauert mindestens zwei Wochen. Erst dann kann der Chefgärtner der Parks in Montréals Trendviertel Le Plateau die schönste Aufgabe angehen, die der Winter ihm bietet: Schlittschuhbahnen bauen. Seine sind keine Mini-Manegen aus Kunsteis, Phaneuf legt natürliche Eisbahnen an, Kunstwerke aus gefrorenem Wasser, die sich über die verschneiten Rasenflächen schlängeln. Unter Bäumen hindurch, mit Kurven und Bänken am Rand für ein Päuschen.

14 solcher Patinoires ziehen sich allein durch Le Plateau, die schönste führt durch den Parc La Fontaine, vorbei am Café, das heiße Schokolade verkauft. Bunt bemützte Kinder schlittern über das Eis, Teenager üben Pirouetten, Ältere drehen behutsame Runden. Und sie alle haben ein Strahlen im Gesicht – selbst wenn sie auf den Hintern landen.

„Zweimal täglich schleifen wir das Eis mit einem Polierfahrzeug glatt“, erklärt Francis Phaneuf. Im Nachbarpark am Mont Ro­yal, dem „königlichen Berg“, dem Montréal seinen Namen verdankt, spuren seine Kollegen 16 Kilometer Langlaufloipen. Und südöstlich der Stadt, im Skigebiet Bromont, können sich Alpin-Skifahrer austoben, selbst nach Feierabend: Von 141 Pisten werden 104 beleuchtet. Wer kein Equipment hat, kann welches ausleihen, oft kostenlos.

Französisches Flair in Québec

© Tourisme Montréal/Eva Blue
In den Wintermonaten sind die Straßen von Montréal stimmungsvoll illuminiert.

Seien wir ehrlich: Warmduscher, die ab September von der Karibik träumen, werden im kalten Québec nicht froh. Alle anderen können dort ein weißes Wunderland entdecken: mit klirrender Kälte und Schneeglitzer, Kaminfeuern, viel „Chocolat Chaud“ und Einheimischen, deren unbändige Winterfreude leicht überspringt. Sie erinnert uns an früher, als zu Hause die Seen noch zufroren und das Weiß liegen blieb.

Und doch ist der Winter hier in vielem ganz anders. Es beginnt mit dem dauerblauen Himmel. In Montréal scheint an zwei von drei Wintertagen die Sonne. Schnee fällt auch hier weniger als früher, aber deutlich mehr als etwa in den Alpen und mit riesigen Flocken. Wo er Fußgänger und Autofahrer stört, schaufeln unermüdliche Räumfahrzeuge ihn davon, in der Stadt wie auf dem Land, bis zum abgelegensten Chalet, wie die klassisch kanadische Holzhütte hier heißt. Wo er nicht stört, kann man nicht genug von ihm kriegen.

Apropos Chalet: Der Flair Québecs ist très français. Man begrüßt sich mit Bonjour, kauft sein Baguette in der Boulangerie und genießt zum Souper gern mehrere Gänge mit gutem Wein. Beim Chic sieht es etwas anders aus: Statt Pumps trägt Madame Moonboots. Frisuren sind irrelevant, da sie unter den Mützen eh verknautschen. Und wer lange Unterhosen unsexy findet, zieht sie irgendwann trotzdem an – beim Igloofest, auch bekannt als „kältestes Elektro-Festival der Welt“, besser gleich zwei, darüber den Skianzug.

Trotz aller Kälte ist der Winter in Québec heimelig-hell. Überall, wo Menschen wohnen, knipsen sie bei Einbruch der Dunkelheit bunte Lichterketten an: in den kahlen Bäumen, an ihren Fenstern, entlang der Geländer der geschwungenen Außentreppen, die hier charakteristisch sind. 

Zwischen den Hochhaustürmen von Montréals City wiederum flaniert man abends dick eingemummelt an neonfarbenen Leuchtskulpturen vorbei. „Luminothérapie“ heißt der Parcours, Lichttherapie.

Langlauf, Schlittschuh und Winterwandern in Mauricie

© PR/Nadeau Julien Inc
Chalet am Fluss: die River Cabin des Le Baluchon

Von Montréal nordwärts folgt die Straße dem mächtigen Sankt-Lorenz-Strom. Bei „guter Kälte“ erstarrt er unter einem dicken Eispanzer, bei Tauwetter schubst er Eisschollen Richtung Atlantik. An seinen Ufern siedelten schon lange vor der Kolonialisierung die indigenen First Nations. Heute leben fast acht von achteinhalb Millionen Québecois in Flussnähe. Abseits des Sankt-Lorenz wird es entsprechend einsam. Die bewaldeten Hügel der Region Mauricie, die der Indian Summer gerade noch farbenfroh getupft hatte, sind nun weiß übertüncht. 

Das Hôtel Le Baluchon, Éco-villégiature ist das nächste Ziel. Auf 400 Hektar Latifundien verteilen sich verschneite Wiesen und Wälder, kringelt sich ein Bach um Biberburgen, kreiert ein im Frost erstarrter Wasserfall Eiszapfen und Eisblumen in fantastischer Vielfalt. Spazierwege und Langlaufloipen verbinden mehrere Gästehäuser mit roten Dächern und überdachten Veranden. Kinder spielen Eishockey auf einem Tümpel. Es scheint, als präsentiere sich das riesige Québec hier als romantische XS-Version.

„Die Geschichte des Baluchon begann vor fast 40 Jahren“, erzählt die Empfangschefin am knisternden Kamin. „Zwei Studenten aus Montréal wollten ein Ausflugsziel für Naturliebhaber entwickeln. Sie pachteten das Land, legten Wege an, eröffneten eine Auberge, später eine Mikrobrauerei und das erste ‚Spa Nordique‘ der Region. Echte Pioniere!“

Heute hat das Hotel vier Sterne, seine Werte sind dieselben geblieben: naturnaher Tourismus und eine nachhaltige Wirtschaftsweise. Der Chefkoch bezieht seine Zutaten zu 80 Prozent von benachbarten Höfen. Die Brauerei zog um, nun stellt das Baluchon-Team eigenen Ahornsirup her: in einer traditionellen „Cabane à Sucre“, einer Zuckerhütte. 

Die Tage vergehen mit Langlaufen und Schlittschuhfahren, einer Tour mit der Pferdekutsche und natürlich – auch das gehört zum Winter in Québec – sorgfältig abgewogenen An- und Ausziehritualen. Denn nur die richtige Art, Anzahl und Schichtung der Socken, Pullover und Schals schützt länger als zehn Minuten gegen die „gute Kälte“.

© Tourisme Mauricie
Ein 400 Hektar großes Areal ist Teil des Hôtel Le Baluchon.
© MTM-Media/Tourisme Mauricie
Wer friert, kann sich im Spa Nordique aufwärmen.
© Tourisme Mauricie
Hundschlitten, Langlauf, Schneeschuh, Pferdekutsche: An Winteraktivitäten mangelt es hier nicht.

Bühne frei für den Sankt-Lorenz-Strom

© Tourisme Charlevoix
Eisiges Spektakel: Riesige Schollen treiben auf dem Sankt-Lorenz-Strom

Szenenwechsel nach Baie-Saint-Paul in der Grafschaft Charlevoix. Der kleine Ort, drei Autostunden weiter nordöstlich, ist die Québec-Variante eines Künstlerdorfs. Seit dem frühen 20. Jahrhundert ziehen seine bunt-schiefen Holzhäuser und die Bucht, in der das Flüsschen Gouffre in den Sankt-Lorenz-Strom mündet, Maler an. Sie sind verzückt vom Licht, das die Landschaft selbst im Winter pastellig färbt, von den vorbeiziehenden Schiffen und vom Treiben der Bauern – vielleicht auch vom Grappa, den ein Käser der Gegend mit Resten seiner Molke brennt.

1984 gründeten drei befreundete Straßen­artisten in Baie-Saint-Paul den inzwischen weltberühmten Cirque du Soleil. Einer davon, Daniel Gauthier, ließ eine alte Farm zum Wohlfühl-Hotel Le Germain Charlevoix ausbauen. Im Winter sind die meisten Tiere im Stall, doch die zotteligen Scottish-High­land-Rinder, die vor den Zimmern im Schnee grasen, ziehen fast genauso viele Besucher an wie die Kunstgalerien, die sich im Dorfkern aneinanderreihen.

Das eindrucksvollste Spektakel ist allerdings draußen, in der Bucht, zu sehen, wo der Gouffre und der Sankt-Lorenz-Strom zusammentreffen. Wind und Strömung werfen ihre Eisschollen in einem einzigen Chaos auf- und übereinander. Manche Brocken leuchten gletscherblau, auf anderen haben Staub und Algen bizarre Muster gezeichnet. Es knarzt, knirscht und blubbert, als komponiere ein Wassergeist moderne Musik. Würde die Kälte nicht irgendwann doch unter die Mütze kriechen, man könnte ewig zuschauen.

Zum Aufwärmen zurück ins Hotel-Spa, mit einem Krimi der Québecer Bestsellerautorin Louise Penny. Ihr Serienheld, Chef-Inspektor Armand Gamache von der Mordkommission Montréal, jagt in seinem zehnten Fall einen mordenden Künstler durch Baie-Saint-Paul. Gamaches beschauliches Heimatdorf Three Pines existiert wirklich. Es liegt südlich des Sankt-Lorenz-Stroms in einer der anglofonen Enklaven Québecs und hat einen sehr unfranzösischen Namen: Knowlton.

Chalets in Québec: Gipfel der Gemütlichkeit

© PR/Manoir Hovey
Gemütlich am Kamin: das Bistro im Manoir Hovey

„Achtung, Schneeverwehungen“ warnen Schilder auf dem Weg. Doch im echten Leben ist der Himmel zum Glück blau und die Straße, die sich am Ufer des Lac Brome nach Three Pines/Knowlton schlängelt, bestens geräumt. Villen im englischen Landhausstil säumen das Ufer, in der Dorfkneipe schenkt der Wirt genau wie im Roman schon nachmittags Scotch aus, „zum Aufwärmen“.

Und auch ein dritter Krimi-Schauplatz hält, was er verspricht: das Fünf-Sterne Hotel ­Manoir Hovey, die berühmteste Herberge Québecs. 1899 wurde sie nach Vorbild der Villa von George Washington am Massawippi-See erbaut. Außen weißes Holz, eine von Säulen gestützte Terrasse, davor ein Pool und Kanadas ältester Tennisplatz, der jetzt freilich im Winterschlaf liegt. Innen wertvolle Antiquitäten, Licht aus Tiffany-Lampen, die Holztreppe zu den Balkonzimmern quietscht vor Geschichte. „Im Winter treffen sich unsere Gäste gern im Kaminzimmer und stöbern in der Bibliothek“, erklärt der Concierge. „Machen Sie es sich gemütlich, ich bringe Ihnen eine heiße Schokolade.“ Im Regal stehen Bücher wie „Who’s who in Quebec“ von 1920 bis 1983 und natürlich sämtliche Krimis von Louise Penny. Sie kommt regelmäßig zum Schreiben her, das Ehepaar Clinton zur Erholung.

So schön es ist, gut umsorgt zu werden: Am intensivsten ist der Winter Québecs dort spürbar, wo man selbst für seinen Komfort sorgen muss: im Chalet. Unzählige der kleinen Holzhäuschen verbergen sich in den Wäldern jenseits der Städte, meist am Ufer eines der ebenfalls unzähligen Seen. Raucht der Kamin, leuchten Lichterketten, ist jemand zu Hause.

„Im Schuppen hängen Schneeschuhe“, hat die Vermieterin versprochen, „ihr könnt direkt vom Haus loswandern.“ Allez! Der Schnee knirscht leise unter den Schritten, sonst herrscht absolute Stille. Als die Sonne untergeht, färbt sie den vereisten See vor dem Chalet rosa. Schnell rein, die Schneehose ausziehen und den Kaminofen anfeuern. Schmeckte die Chocolat Chaud je besser?

Tipps für Québec

© iStock/Jcca
Blick auf Québes City und den Sankt-Lorenz-Strom

Am Ufer des Sankt-Lorenz-Strom lockt in den Wintermonaten ein weißes Wunderland. Egal, ob bei Ski- oder Schlittenfahrten, auf dem Eis oder in der dampfenden Sauna – wir geben Tipps für Erlebnisse und Ausflüge im kanadischen Québec. 

Ski- und Schlittenfahren auf Le Massif

Québecs Gebirge Le Massif de Charlevoix erhebt sich auf 806 Meter, die Südflanke mit den Pisten scheint direkt in den Sankt-Lorenz zu rutschen. Skifahrer nehmen die Gondeln auf den Gipfel, Schlittenfahrer werden von einer gebracht – oder stapfen mit Schneeschuhen hoch. Bei der Abfahrt genießen alle gleichermaßen die Sicht cht auf den weiten Fluss.

Wintersport am Bromont und im Parc national du Mont-Orford

Süd.stlich von Montréal, in der Region Montérégie, erheben sich acht ehemalige Vulkanberge, auf denen man wunderbar Wintersport treiben kann. Im Nationalpark Mont-Orford sind mehr als ein Dutzend Schneeschuh-, Tourenski- und Langlaufloipen für alle Niveaus gespurt. Alpin-Skifahrer und Snowboarder finden ihr Glück eher im Skigebiet Bromont. Obwohl nur bis zu 553 Meter hoch, hat es 45 Kilometer präparierte Pisten, über 100 werden nach Einbruch der Dunkelheit beleuchtet. Sämtliches Equipment kann vor Ort ausgeliehen werden.

Québec Cité

Heimweh nach Europa? Ein Spaziergang durch das Zentrum von Québecs 400 Jahre alter gleichnamiger Hauptstadt kann helfen! Die Festungsmauern, die gepflasterten Gassen, die Stadthäuser aus grauem Stein und das hell beleuchtete Luxushotel Château Frontenac, das sich über den Sankt-Lorenz-Strom erhebt, erinnern an die Bretagne oder das alte England. Winterlicher Höhepunkt: der Marché de Noël allemand, der deutsche Weihnachtsmarkt, der ab November mit original deutschem Kunsthandwerk, Glühwein und Maultaschen in die Altstadt lockt. Der zehntägige Karneval im Februar feiert den Winter mit Umzügen, Konzerten, Eisskulpturen und Lichtshows.

La Source - Bains Nordique

Die heißen und kalten Becken des wunderschönen Day-Spas La Source wurden wie Landschaftsskulpturen in den verschneiten Berghang integriert. Man badet, sauniert und ruht mit Blick in die winterliche Landschaft, am besten mit Mütze auf dem Kopf, sonst wird es bei minus zehn Grad etwas frisch. Ausgezeichnete therapeutische Massagen und ein Bistro, das lokale Produkte feiert. Massagen unbedingt reservieren! 

Québec Reiseinformationen

Wetter und Reisezeit für Québec

Weihnachten und Neujahr in Québec zu feiern, ist charmant, schneesicherer wird es ab Anfang/ Mitte Januar. Dann sind auch die kanadischen Schulferien vorbei und die Hotels nicht so voll. Grundsätzlich gilt: frühzeitig reservieren! Und: dicke, warme Schuhe und Kleidung einpacken!

Anreise

Lufthansa fliegt ab Frankfurt und München nonstop nach Montréal. Air France fliegt über Paris, Swiss über Zürich. Vom Flughafen Montréal-Trudeau (YUL) fahren alle zehn Minuten Busse ins Zentrum (ca. 35 Minuten). In der Stadt ist parken kompliziert, besser auf das gut ausgebaute Metro-/Busnetz umsteigen. Nach Ville de Québec fahren Züge sowie komfortable Fernbusse. Außerhalb der Städte braucht man einen Mietwagen. 

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