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Kultur

Das Bernsteinzimmer von Sankt Petersburg

Zarskoje Selo ist eine der schönsten Zarenresidenzen in Russland. Ihre Pracht ist atemberaubend und ihre Hauptattraktion weltberühmt: der Katharinenpalast mit dem legendären Bernsteinzimmer.

Datum 03.11.2020

Das prachtvolle Ensemble aus Park und Schloss von Zarskoje Selo bei Sankt Petersburg ist eng mit zwei Zarinnen verbunden: Elisabeth und Katharina II. gaben dem prunkvollen Gesamtkunstwerk ihre Prägung. Zunächst aber wies die Geschichte des „Zarendörfchens“ erstaunliche Parallelen zum Peterhof auf.

Zarskoje Selo entstand fast zur selben Zeit (ab 1717) und ebenso in einem kaum besiedelten Landstrich. Peter der Große hatte der Gemahlin Katharina I. ein kleines Gut geschenkt, und an dessen Stelle baute der Architekt Johann Braunstein ein eher bescheidenes Steinhaus für die Zarin. Das Haus wurde über die Jahre zum Palast mit einer sagenumwobenen Geschichte: Die des Bernsteinzimmers

Hinweise und Reisewarnung für Russland

Angesichts des Krieges gegen die Ukraine hat das Auswärtige Amt eine Teilreisewarnung ausgesprochen und rät von Reisen nach Russland ab (Stand 27. Januar 2023). Sieben russische Regionen sind seit Oktober 2022 in erhöhter Alarmbereitschaft, lokale Behörden und Sicherheitskräfte haben daher vielerorts umfangreiche Befugnisse für Sicherheitsmaßnahmen und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit. Der direkte Flugverkehr zwischen der Russischen Föderation und der EU sowie weiterer europäischer Staaten wurde wegen gegenseitiger Sperrung der Lufträume eingestellt. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Auswärtigen Amtes

Strahlende Residenz: Der Katharinenpalast

Katharinas Tochter Elisabeth ließ in ihrer Zeit als Herrscherin das Anwesen großzügig ausbauen. „Katharinenpalast“ nannte sie das Schloss zum Andenken an ihre Mutter. 1752 trat der umtriebige Bartolomeo Francesco Rastrelli auf den Plan, der große Baumeister des russischen Barocks, der gleichzeitig mit dem Ausbau von Peterhof beschäftigt war und bald auch mit dem Winterpalast in Sankt Petersburg zu tun hatte. Jetzt erst wurde das Schloss zu einer repräsentativen Residenz. Rastrelli verpasste dem Katharinenpalast ein zusätzliches Geschoss und schuf eine Fassade, die der des Winterpalastes überraschend ähnlich ist.

Der Hauptflügel ist so stark akzentuiert, dass sich trotz 325 Metern Länge kein Eindruck von Monotonie einstellt. Auch das Innere des Schlosses gestaltete Rastrelli neu. Hundert Kilo Gold soll er für die Dekorationen benötigt haben. Überwältigender Ausdruck der barocken Pracht ist der Große Saal für Hofbälle und Empfänge mit einer Fläche von fast 900 Quadratmetern. Das Weiße Vestibül, die Gemäldegalerie mit italienischer, französischer und niederländischer Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts, das berühmte Bernsteinzimmer, der Blaue Salon und das Parade-Speisezimmer sind nur einige der weiteren Prunkräume.

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Blaues Gästezimmer und Grüner Speisesaal

Einzigartig in den Zarenschlössern ist die Enfilade des Katharinenpalasts, die Reihung von Räumen, deren Türöffnungen sich exakt gegenüberliegen. Diese Raumflucht erstreckt sich über die gesamte Länge des Palasts, so dass man vom ersten Raum bis zur Wand des letzten Raumes schauen könnte. Wie für Zarin Elisabeth wurde Zarskoje Selo auch für Katharina II. zum Lieblingsort. Ab 1763 ging sie zwischen Frühling und Herbst möglichst hier ihren Staatsgeschäften nach. Doch die Zeit des überbordenden Rastrelli-Barocks war abgelaufen, die große Zarin begeisterte sich für die Strenge des Klassizismus. Das Blaue Gästezimmer und der Grüne Speisesaal sind Zeugnisse dieser Zäsur.

Auch draußen im Park ist der Stilwandel sichtbar. Der streng symmetrische Französische Garten mit Alleen und Statuen kontrastiert mit einem englischen Landschaftsgarten, als dessen Mittelpunkt die Zarin den Großen See anlegen ließ. Der Architekt Charles Cameron baute eine Thermenanlage nach römischem Vorbild, das Kalte Bad mit luxuriösen Achatzimmern sowie eine Ruhmeshalle für von Katharina besonders verehrte Heerführer und Denker der Antike. 44 ionische Säulen schmücken den Umgang der Cameron-Galerie. Ein weiteres herausragendes klassizistisches Bauwerk im Park ist der Alexanderpalast von Giacomo Quarenghi. Nikolaus II., der letzte Zar, lebte nirgendwo lieber als hier im Grünen, sein Familienleben zog er den Pflichten der Staatsführung vor.

Die Odyssee des Bernsteinzimmers

© Klaus Bossemeyer

Zarskoje Selo wurde ebenso wie Peterhof im Zweiten Weltkrieg zum großen Teil zerstört, seine Kunstschätze wurden von den Deutschen geraubt. Dazu gehörte auch das legendäre, fast unversehrte Bernsteinzimmer im Katharinenpalast, das 1941 von der Wehrmacht abgebaut und in das Königsberger Schloss transportiert wurde. 1944 wurde es erneut verpackt, um vor den anrückenden sowjetischen Truppen weiter nach Westen verfrachtet zu werden. Seitdem ist es verschollen.

Die Odyssee des Bernsteinzimmers, eigentlich eine prunkvolle Wandtäfelung, die 1701 für den Preußenkönig Friedrich I. geschaffen wurde, begann bereits im Jahr 1716. Peter der Große, der es beim Besuch des Berliner Schlosses bewundert hatte, erhielt es von Friedrich Wilhelm I. als Geschenk. Die Gegengabe war die Überstellung von 55 „langen Kerls“ der Zarengarde an den preußischen Soldatenkönig. Elisabeth, die Tochter Peters, ließ das Bernsteinzimmer 1741 als Empfangssaal in den Winterpalast einbauen. Dort blieb es bis 1755, dann kam es auf Geheiß der Zarin in den neuen Sommerpalast von Zarskoje Selo.

Wo befindet sich das Bernsteinzimmer?

© Klaus Bossemeyer

Die kostbare Wandtäfelung findet Platz in einem 100 Quadratmeter großen Saal, 24 venezianische Wandspiegel, Florentiner Mosaiken, Edelsteineinlagen und vergoldete Leuchter ergänzen das Kunstwerk. Katharina die Große gibt ihrem Lieblingsraum im gesamten Palast 1763 den letzten Schliff. An die Stelle der bernsteinfarbenen Deckengemälde treten echte Bernsteinschnitzereien. Besucher sprechen von einem „achten Weltwunder“.

Dieses Wunder erhielt die Welt im Mai 2003, zum 300-jährigen Jubiläum Sankt Petersburgs, als perfekte Kopie zurück. Aufwendige, fast 25 Jahre dauernde Forschung, Planung und Rekonstruktion waren der Einweihung vorausgegangen. Vorkriegsfotos, Archivmaterialien, wissenschaftliche Arbeiten und sogar einige wenige Originalteilchen bildeten die Basis der Arbeiten. Aus mehr als einer halben Million Bernsteinstücken, deren Rohmaterial hauptsächlich im russischen Jantarny an der Ostseeküste gewonnen wurden, ließen bis zu 60 Restaurator:innen und Arbeiter:innen das Bernsteinzimmer erstehen. Als die Arbeiten in den 1990er Jahren wegen Geldmangels ins Stocken gerieten, sprang die damalige Ruhrgas AG mit einer 3,5-Millionen-Dollar-Spende ein.

Eine erfolglose Suche

Auf den Verbleib des Original-Bernsteinzimmers haben Zeitzeug:innen, Verschwörungstheoretiker:innen und Schatzsucher:innen in sechs Jahrzehnten hundertfach Hinweise gegeben. Erfolglos. Trotz unzähliger Legenden, Hinweise und Spuren bleibt das Bernsteinzimmer bis in die Gegenwart verschollen. Seit der Montage in Königsberg ist es nicht mehr gesehen worden.

Vielleicht hätte der ehemalige Königsberger Nazi-Gauleiter Erich Koch, eigentlich zum Tode verurteilt, aber bis zu seinem natürlichen Ende 1986 im Gefängnis im polnischen Barczewo einsitzend, etwas sagen können. 

Bis zum Schluss soll er, wie jüngere Aktenfunde belegen, vom polnischen und sowjetischen Geheimdienst immer wieder befragt worden sein. Vergeblich. Sein Schweigen, das hatte Koch wohl erkannt, war seine Lebensversicherung.

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