© Hotel Sacher
Übernachten

Allererste Sahne: Das Hotel Sacher in Wien

Es gibt nicht viele Hotels, die es geschafft haben, so selbstverständlich mit einem Ort zu verschmelzen wie das Hotel Sacher mit Wien. Ein Besuch für Genießer.

Text Eva Biringer
Datum 15.04.2025

Wer hier die Hosen anhat, ist klar: jene kritisch dreinschauende Frau mit Blumenschal, grauem Bubikopf und Zigarre im Mund. Überall im Haus hat Anna Sacher ihre Spuren hinterlassen. Im Erdgeschoss hängen Fotos von ihr mit Puffärmeln, tortengleicher Kopfbedeckung und einer Entourage aus Französischen Bulldoggen, im Treppenhaus ein weiteres großformatiges Gemälde, wieder mit Hunden und Zigarre. Berühmt wurde das k. u. k It-Girl durch den Satz: „Der Mann im Haus bin ich.“ 

Das im Herzen von Wiens erstem Bezirk gelegene Hotel Sacher ist ein frühes Beispiel für ein florierendes Female Business. Gegründet wurde es allerdings von einem Mann. Eduard Sacher erwarb 1876 jenes im Renaissancestil gehaltene Haus gegenüber der Staatsoper, wo sich früher das Kärntnertortheater befand, Uraufführungsort von Beethovens Neunter Sinfonie, und eröffnete es zunächst als Hôtel de l’Opéra. Schnell entwickelte es sich zu dem, was man heute Hotspot nennen würde, einem Treffpunkt von Kulturprominenz, Politik und Schickeria. Vier Jahre nach Eröffnung heiratete der „begehrteste Witwer Wiens“ die Metzgerstochter Anna Fuchs. Als Mitinhaberin verlieh sie dem inzwischen in Hotel Sacher umbenannten Haus noch mehr Glamour, ließ aufwendige Menükarten herstellen und gründete ein „Salonblatt“, eine Art Edel-Klatschzeitschrift.

Die Geschichte vom Hotel Sacher

© Hotel Sacher
Guter Service gehört zum Selbstverständnis im Hotel Sacher.

Nach Eduards Tod führte Anna das Sacher ab 1892 als sogenannten Witwenbetrieb weiter. Für ihre Angestellten sorgte sie, ungewöhnlich für damalige Verhältnisse, in Form einer Betriebskrankenkasse. Für ihre drei Kinder offenbar weniger: Statt es einem von ihnen zu vererben, gelangte das Hotel nach Annas Tod 1930 in den Besitz des Hotelier-Ehepaars Josef und Anna Siller sowie des Anwalts Hans Gürtler und seiner Frau Poldi – zusammen mit einem Berg Schulden. 

Wenig glanzvoll waren auch die Wirren des Zweiten Weltkriegs, als das Haus mal in russische, mal in britische Hände fiel. Ab 1951 hatten wieder die Sillers und Gürtlers das Sagen. Nach Anna Sillers Tod 1962 gehörte das Sacher eine Zeit lang ausschließlich den Gürtlers, wobei ab 1990 Elisabeth Gürtler-Mauthner nach dem Tod ihres Mannes die Führung innehatte. Seit 2015 lenken Georg Gürtler und Alexandra Winkler gemeinsam die Geschicke des zu den Leading Hotels of the World gehörenden Hauses. Zwei Dependancen hat das Sacher längst, eine in Salzburg, eine in Seefeld.

Hotel Sacher in Wien: Ein zauberhaftes Labyrinth

© Hotel Sacher
Glanz und Gloria genießt man in der Grand Signature Suite.

Die Ankunft im Wiener Stammhaus kann sich etwas verwirrend gestalten. Mehrere Eingänge gibt es, zur Nobeleinkaufsmeile Kärntner Straße, wo Thomas Bernhard sich die Trübsal wegspazierte, und zur von Fiakern passierten Philharmoniker Straße. Beim Betreten der denkmalgeschützten Lobby steigt Besuchern der Signature Scent in die Nase, der nicht nach Mehlspeisen duftet, sondern nach Patschuli, Cypriol, Sandelholz, Vanille und Zimt. Links halten drei Concierges die Stellung, in der Mitte der Eingangshalle leuchtet ein Blumengesteck, genau wie im angrenzenden rubinroten Salon, der an ein Pariser Boudoir erinnert. 

Dass man die in einem Nebenraum versteckte Rezeption suchen muss, gehört zum Konzept. Zu den 75 Zimmern und 77 Suiten, letztere allesamt nach Opern oder Komponisten benannt, führen historische Fahrstühle. Deren Wände sind mit japanischen Alltagsszenen bedruckt und mit goldenen Lüstern geschmückt.

In den Stockwerken eins bis fünf offenbart das Haus seine alte Seele. Verwinkelt sind sie, mit schrägen Wänden und unterschiedlich hohen Fußböden, was auch daran liegt, dass die einzelnen Gebäudeteile, sechs an der Zahl, nach und nach zugekauft und miteinander verbunden wurden. Neu hingegen sind die beiden oberen Etagen. Dort befindet sich die größte Suite, mit umlaufendem Balkon und fantastischem Blick über die Dächer jener Stadt, die regelmäßig zur lebenswertesten der Welt gekürt wird. Zu manchen Tageszeiten dringt Musik aus der gegenüberliegenden Staatsoper herüber. Küss die Hand, gnädige Frau: Die auf der Beletage gelegene Philharmoniker-Suite erinnert daran, dass das Hotel zur alljährlichen Ballsaison einen der prunkvollsten Empfänge der Stadt ausrichtet.

Was das Hotel Sacher mit der berühmten Torte zu tun hat

© Hotel Sacher
Süßes Signature Dish: die Sachertorte.

Ikonisch ist auch das vor einigen Jahren neu gestaltete Logo des Hauses, den Proportionen eines Kuchenstücks nachempfunden. Womit wir bei dem angelangt wären, woran die meisten beim Namen Sacher wohl als Erstes denken. Genau genommen beginnt die Geschichte des Hotels rund 40 Jahre früher, mit dem Delikatessengeschäft von Eduards Vater Franz. Als Bäckerlehrling hatte dieser 1832 die Aufgabe, ein Dessert für den Fürsten Metternich zu kreieren. Es kam so gut an, dass sein Sohn es in seinem Hotel anbot, woraufhin er zum offiziellen k. u. k. Hoflieferanten ernannt wurde und den Beinamen „vornehmster Gaumenschmeichler Wiens“ erhielt. 

Damals wie heute entsteht die Sachertorte in 34 von Hand ausgeführten Arbeitsschritten. Ein saftiger Schokoteig, eine dünne Schicht Aprikosenmarmelade (die hier Marillenmarmelade heißt), gekrönt von einer üppigen Schicht Kuvertüre. Bis zu 3.000 dieser Kunstwerke werden täglich produziert, allerdings nicht in der Hotelküche, sondern im Außenbezirk Simmering. Genießen kann man sie zu Hause oder vor Ort in einem der beiden Cafés, vor denen sich stets lange Schlangen bilden, zusammen mit einem Einspänner, Großen Braunen oder einer anderen Wiener Kaffeehaus-Spezialität.

Hotelgäste finden eine Miniversion auf dem Nachttisch und auf dem Frühstücksbuffet, in einem marmorverkleideten, mit schlagsahneweißen Rosen dekorierten Raum. Dabei ist die Genese der in alle Welt exportierten Süßspeise nicht so eindeutig, wie ihr Name vermuten lässt. Auch die wenige Spazierminuten entfernte Zuckerbäckerei Demel, wo Eduard Sacher eine Patisserie-Lehre absolvierte, versteht sich als Geburtsstätte, darf dies aber nach einem jahrelangen Rechtsstreit nicht mehr offiziell geltend machen. Auch wurde das geheime Rezept 100 Jahre nach seinem Entstehen von Eduard Sacher junior geleakt, zum Missfallen seiner Mutter Anna. Heute steht es auf der Website des Hotels.

Prominente Gäste im Hotel Sacher

© Hotel Sacher
Mit herrschaftlichem Blick von der eigenen Terrasse kommt die Grand Signature Suite daher.

Geschmeckt hat die Schokobombe unter anderem John Lennon und Yoko Ono, die, unter weißen Säcken versteckt, in einer der Suiten eine als Pressekonferenz getarnte Friedensperformance veranstalteten. Weitere prominente Gäste waren John F. Kennedy, Elizabeth II., Herbert Karajan und Gustav Mahler. Dem Schriftsteller Graham Greene kam hier die Idee zu seinem Roman „Der dritte Mann“, der konsequenterweise vor Ort verfilmt wurde. Romy Schneider soll ihre berühmteste Rolle aufgrund der Ähnlichkeit mit jener Kaiserin-Elisabeth-Büste bekommen haben, die dem „Sissi“-Regisseur Ernst Marischka bei einer Stippvisite auffiel. 

Fotos späterer berühmter Gäste hängen neben der Rezeption. Kate Moss und Vivienne Westwood, John Malkovic, George Clooney, Anne Hathaway. Goldie Hawn postete bei Instagram ein Food-Coma-Selfie, vor sich eine halb aufgegessene Sachertorte, mit der Unterschrift: Good until the last bite! Bis zum letzten Bissen gut! Kein Foto gibt es leider von Erzherzog Otto, der angeblich nackt mit einem Degen durchs Haus tänzelte. Vom Kronprinzen Rudolf ist immerhin jenes Silber erhalten geblieben, mit dem er weiland seine Schulden bezahlte.

Viele weitere haben ihre Spuren auf andere besondere Art hinterlassen. Im Gourmet-Restaurant Grüne Bar erinnern prächtige elektrische Leuchter, sogenannte Lobmeyr-Luster, die Besucher daran, dass das Sacher einer der ersten Orte Wiens mit elektrischem Licht war. Auf dem Weg dorthin hängen an den Wänden eines mit antiken Skulpturen geschmückten Gangs mehrere Tischtücher. Was von Weitem nach Gekritzel aussieht, sind in Wahrheit die Unterschriften berühmter Hausgäste, darunter Geri Halliwell, Fürst Albert von Monaco und Kaiser Franz Joseph – obwohl er nie persönlich vor Ort war, weil sich das für einen Mann seines Standes nicht schickte. Mit Ausnahme von Hillary Clinton lässt sich kaum eine entziffern. Kein Stift kam hier zum Einsatz, sondern eine Sticknadel. Zu Lebzeiten legte Anna Sacher selbst Hand an. Deren geliebte Bulldoggen heißen in Wien übrigens Sacher-Bullys.

Hotel Sacher Wien Die Restaurants und Bars des Hauses

© Hotel Sacher
Klassisch: das Interieur der Blauen Bar und die Cocktailkarte.

Das Hotel Sacher erstreckt sich über vier Straßenzüge, seine Schönheit setzt sich auch im Inneren bis ins kleinste Detail fort: in den zwei Restaurants, der Bar und den Cafés zum Beispiel.

Restaurant Rote Bar

Ganz in Sacher-Rot gehalten ist dieses prunkvolle Restaurant mit Blick auf die Wiener Staatsoper. Goldgerahmte Spiegel und damastbespannte Wände, Samtsofas und Ölgemälde geben den Ton an. Abends spielt ein Pianist. Im Gegensatz dazu gibt sich die Speisekarte überraschend bodenständig, mit Wiener Klassikern wie Schnitzel, Backhendl sowie Tafelspitz mit Apfelkren und Schnittlauchsauce. Imperial-Kaviar gibt es aber auch.

Restaurant Grüne Bar

Kulinarisch ambitionierter geht es im wenig überraschend ganz in Grün gehaltenen Zweitrestaurant zu. Unter Gemälden des österreichischen Malers Anton Faistauer serviert Küchenchef Anton Pozeg Menüs mit sechs oder sieben Gängen, darunter Gänseleberparfait, mit Kaviar verfeinerte Hummerbisque und Poulet de Bresse mit Verjustrauben. Die Käseselektion stammt vom empfehlenswerten Händler Jumi.

Blaue Bar

Auch die im Erdgeschoss gelegene Bar geizt nicht mit Ölgemälden und verführerisch duftendem Blumenschmuck. Hier sind die Wände zur Abwechslung mit Brokat bespannt. Herausgeputzte Bartender servieren Cocktailklassiker, aber auch ein „Wiener Madl“ mit Gin, rosa Pfeffer und Rosenlimonade. Beim Signature Cocktail, dem „Sacher Martini“, trifft Grey Goose Vodka auf Marillenlikör, während beim „Anna Sacher“ Wermut und Grenadine miteinander spielen.

Café Bel Étage

Über zwei Etagen erstreckt sich das erneut im Sacher-typischen Rot gehaltene Café. Nobler als das im Erdgeschoss gelegene Café Sacher kommt es daher, mit weißem Marmor und plüschigen Sofas. Wien ohne ein Stück Sachertorte zu verlassen ist eigentlich ein Frevel. Wer mit Schokolade nichts anfangen kann, weicht auf Apfel- oder Topfenstrudel aus. Herausragend und weniger süß als der Verkaufsschlager ist die Espressotarte.

Das könnte Sie auch interessieren

© Matthias Plander/Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg
Übernachten
Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg: Ein Haus und seine Geschichte

Aus einem Haus wurden 14, aus elf Zimmern wurden 156, aus dem Hotel Vier Jahreszeiten wurde die erste Adresse an der Alster. Die Luxusherberge kann Tausende Anekdoten erzählen, sie handeln von großen Ambitionen, lebenslanger Treue, exzentrischen Film- und mit Pudding werfenden Rockstars. Merian war zu Besuch.

© IMAGO/ANE Edition
Reisenews
Extremwetter in Griechenland und Umgebung: Diese Folgen hat Sturmtief Daniel

Extreme Regenfälle haben derzeit in Griechenland und in Teilen von Bulgarien und der Türkei verheerende Folgen. Wie viele Opfer es bislang gibt und welche Auswirkungen Sturmtief Daniel auf die Infrastruktur vor Ort hat, erfahren Sie hier.

© AerialDronePics/shutterstock
Sehenswürdigkeiten
Zu Fuß und auf dem Boot: Zauberhaftes Antibes

Das uralte Antibes hat einen mittelalterlichen Kern, der zur Vauban-Festung ausgebaut wurde, verwinkelte Gassen sind also von dicken Mauern gerahmt. Der Ort ist, wie so manche an der Riviera, ein Magnet für die Reichen und Prominenten – und auch für alle anderen einen Besuch wert.

© Isabela Pacini
Natur
Hangeweiher bis Lousberg: Die schönsten Parks in Aachen

Eine gute Nachricht für alle, die ein bisschen Erholung brauchen von Aachens mittelalterlicher Hochkultur: Schöne Parks sind so um den Altstadtring gruppiert, dass es nie weit ist zu einem Spaziergang im Grünen.