Schlafen Sie nicht in Tiflis, rät MERIAN-Redakteur Kalle Harberg. Denn er erlebte Georgiens Hauptstadt vor allem nachts als eine sehr bunte Metropole. Hier seine Tipps:
Als König Wachtang I. Gorgassali bei der Jagd einen Fasan erlegt hatte, seinen Falken hinterherschickte und die beiden gar gekocht in einer heißen Quelle fand, gründet er an dieser Stelle Tiflis. So die Legende. Dass der König in Wahrheit die Stadt von den Persern eroberte, ist als Geschichte natürlich nur halb so gut. Und die heißen Quellen an sich sind keine Legende, sie sprudeln noch heute im Bäderviertel Abanotubani. Dort müffelt es wegen des schwefelhaltigen Wassers etwas, aber man gewöhnt sich daran. Badehäuser gibt es jede Menge, sehr schön sind zum Beispiel das etwa 300 Jahre alte Sulfur Bath No. 5 sowie das schicke Royal Bath.
Sulfur Bath No. 5: 3 Vakhtang Gorgasali Royal Bath: 1 Grishashvili St
Bank of Georgia
Die Zentrale des Geldinstituts wurde 1975 als Verwaltungsgebäude des Ministeriums für Straßenbau gebaut und ist heute eines der spektakulärsten Beispiele des sowjetischen Modernismus in der Architektur. Leider kann man als Besucher nur das neue Eingangsgebäude betreten, ansonsten muss man den verschachtelten Komplex vom Parkplatz aus bewundern – was nicht weiter schlimm ist, wenn man die Kuratorin Nini Palavandishvili an der Seite hat. Zusammen mit Freunden bietet sie unter dem Namen »Alternative Tours of Tbilisi« Stadtführungen an, etwa zum Modernismus. Auf weiteren Touren zeigt sie sowjetische Mosaike oder die Nachbarschaft Gldani, die kaum ein Reiseführer beschreibt.
29a Iuri Gagarini St
Mtazminda
Auf den heiligen Berg im Westen der Stadt fährt eine steile Standseilbahn. Oben angekommen, hat man von der Terrasse der Seilbahnstation einen gigantischen Blick über Tiflis. In der Station gibt es einige Restaurants. Dahinter liegt der Mtazminda Park, ein Retro-Vergnügungspark mit Riesenrad, Achterbahn und jeder Menge Karussells. Im Sommer ist dort viel los, gegen Ende der Saison hat der Park einen verschlafenen Charme.
22 Daniel Chonqadze St (Talstation der Seilbahn)
Nariqala
Auf dem Sololaki-Gebirgskamm liegt die Nariqala-Festung. Erbaut wurde sie bereits im 4. Jahrhundert als persische Zitadelle, die meisten der Mauern ließen dann die arabischen Emire im 8. Jahrhundert errichten. Georgier, Türken und abermals die Perser verpassten der Festung jeweils ihren eigenen Schliff – bis 1827 die hier gelagerte russische Munition explodierte und eine Ruine zurück ließ. Die ist einen Besuch wert, und auf dem Kamm gibt es noch mehr zu sehen: die Statue der Mutter Georgiens, Kartlis Deda, und die gläserne Villa des Milliardärs und ehemaligen Premiers Bidsina Iwanischwili. Kartlis Deda hält in der linken Hand für Freunde einen Weinkelch und in der rechten ein Schwert gegen Feinde. Die Villa kann man natürlich nicht besuchen, sie sieht aber ohnehin gerade von Weitem spektakulär aus. Vom Rike Park fährt eine Seilbahn auf den Kamm.
Sameba-Kathedrale
Das erst 2004 eingeweihte Gotteshaus auf einer Anhöhe am Ostufer ist eines der jüngeren der Hauptstadt und bereits jetzt ein Aushängeschild der postsowjetischen georgischorthodoxen Kirche. Die Kathedrale ist 84 Meter hoch und aus Granit, Backstein und Marmor gebaut. Ihr gestuftes Dach lässt sie wie mehrere gestapelte Kirchen aussehen. So mächtig das Außenbild des Gotteshauses ist, so dezent ist dagegen ihr Innenraum: Nur das Ende des Kirchenschiffs ist reich mit Gemälden verziert.
Samreklo St
Café Gabriadze
Rezo Gabriadze ist ein gefeierter moderner Künstler Georgiens. In Tiflis entwarf er den schiefen Uhrenturm am Eingang der Altstadt, an dessen Fuß sich täglich um 12 und 19 Uhr eine Menschentraube sammelt, wenn ein Puppenspiel den Kreislauf des Lebens darstellt. Neben dem Turm: Gabriadzes Puppentheater und dieses sehr gemütliche, mit Memorabilien wie Plakaten geschmückte Café.
Das hippe Lokal liegt in einer Seitenstraße des Boulevards Rustaweli und gehört zum »Rooms Hotel«, das gleich gegenüber liegt. Gegessen wird an langen Holztischen inmitten eines Innenhofs. Auf der Karte stehen viele internationale Gerichte. Sehr lecker sind zum Beispiel die Burger. Wer nur zum Trinken kommt, probiert am besten einen fruchtigen Lolita Cocktail mit Rum, Erdbeersirup, Orangenlikör und Zitrone.
Die Weinfabrik, Ende des 19. Jahrhunderts auf Wunsch von Zar Nikolaus II. gebaut, ist heute ein kulinarisches Paradies. Ein gutes Dutzend Restaurants und Bars haben sich dort angesiedelt, darunter das mexikanische Lokal »Taqueria Teko’s Tacos« der Starköchin Tekuna Gachechiladze und die schicke Bar »Kikodze«. In der »Wine Factory N1« treten am Wochenende, wenn der Komplex ohnehin brummt, Live-Bands auf.
1 Vasil Petriashvili St
Bassiani
Das Nachtleben der Hauptstadt hat einige coole Clubs zu bieten – aber keiner ist legendärer als dieser unter dem Stadion, in dem die Fußballer von Dynamo Tiflis kicken. Gespielt wird elektronische Musik, vor allem Techno. Tanzflächen gibt es zwei: eine große in einem alten Swimmingpool und eine kleinere im Raum daneben. Die Gänge dazwischen sind teilweise so dunkel, dass man schnell mal die Orientierung verliert – aber auch das gehört zum schrägen Zauber dieses Clubs.
Bevor es in den Club geht, wärmt man sich am besten erst einmal auf, etwa in dieser Bar am Ufer der Kura. Tagsüber kann man dort Frisbees, Hula-Hoop-Reifen und Wasserpistolen ausleihen und sich auf der Terrasse austoben. Abends ist das »Bauhaus« gut gefüllt mit Tänzern, die zu Michael Jackson, Abba und Madonna feiern, als wären die achtziger Jahre nie vorbeigegangen. Ein leicht skurriles, absolut großartiges Erlebnis!
Schon die Fassade sticht ins Auge: jede Menge bunter Graffitis und ein Mosaik mit Darstellungen der Künste und des Handwerks in der Sowjetunion. Es stammt noch aus der Zeit, als in dem Komplex eine Näherei zu Hause war. Inzwischen ist ein trendiges Hostel in die alte Fabrik ein gezogen, zusammen mit einer ganzen Reihe von Ateliers, Geschäften und Lokalen, die dafür sorgen, dass jedes Wochenende unter den Girlanden im Hof gefeiert wird.
Das georgische Schriftstellerhaus residiert in einer vom deutschen Architekten Carl Zaar entworfenen Jugendstilvilla und ist ein kulturelles Kraftpaket. Als die beliebte Leiterin Natasha Lomouri im Sommer 2019 ihren Posten räumen musste, entstand an der Fassade über Nacht ein Graffito. Es zeigt den ehemaligen Besitzer des Hauses, einen legendären Unternehmer und Philanthropen, wie er seinen Koffer hinter sich herziehend das Haus verlässt. Wenig später war der stellvertretende Kultusminister seinen Posten los und Lomouri bekam ihren zurück. Das Schriftstellerhaus organisiert Literatur-Events und Autoren-Austauschprogramme. In der obersten Etage werden eine Handvoll sehr schöner Zimmer vermietet. Dazu gibt es ein umwerfend gutes Frühstück – und die Gastfreundschaft der Mitarbeiter.