Die ersten Stunden im Kloster Arenberg in Koblenz fühlen sich für MERIAN-Redakteurin Dagmar Metzger nach ohrenbetäubender Stille an. Die Herausforderung: Drei Tage lang schweigen, ohne jegliche Ablenkung. Klingt schwierig? Ist es auch – aber alles andere als langweilig...
TextDagmar Metzger
Datum 28.11.2022
„Danke für schöne Momente“, hat Sanja ins Gästebuch geschrieben. „Für gute Kontakte, für Sinn, für Emotion.“ Gute Kontakte? Im „Stillen Speisesaal“ des Dominikanerklosters Arenberg bei Koblenz in Deutschland blicken fünf Frauen und ein Mann starr auf die Teller, als würde das Aufgabeln jedes Möhrchens höchste Konzentration erfordern. Hallo, kann bitte jemand hochschauen? Mich wahrnehmen? Mal nicht reden, schön und gut. Aber nach zwei Stunden freiwilligem Schweigen fühle ich mich so einsam wie ein Pandabär in Pisa. Das ist ganz normal, erfahre ich später. Wir snd auf Stress-Entzug. Kein Handy, kein Small Talk, keine Fragen, auf die Antworten erwartet werden. Nur das Ich als Gesprächspartner. Daran muss man sich erst gewöhnen.
Über das Experiment, drei Tage den Mund zu halten, hatte ich Unterschiedliches gehört. Was wird wohl mit mir passieren, wenn mich schon die erste stille Mahlzeit runterzieht?
Im Klostergarten treffe ich auf eine weise Therapeutin gegen meinen Blues. Ordensschwester Beatrix nimmt mich bei der Hand und führt mich stumm hinüber zum „Chartres-Labyrinth“. 15 Minuten gehen wir langsam in konzentrischen Kreisen. Bis wir das Tongefäß, den „Wünschetopf“, im Zentrum erreichen. In ihn kann man Zettel mit Wünschen, Sorgen und Gedanken werfen. Ein Ritual, das hilft, loszulassen, zu sich zu finden. Langsam beginne ich, die Wortlosigkeit zu genießen. Und merke: Wer nicht spricht, sensibilisiert die fünf Sinne.
Bei meiner Runde durch den Park riecht die Luft intensiv nach Sonne und Rosen. Auf einem Blatt entdecke ich einen schillernden Zipfelkäfer, lasse ihn über meine Hand laufen und freue mich über ihn wie über das Wiedersehen mit einem alten Bekannten. Zurück im Gästehaus schnappe ich Gesprächsfetzen auf. Ob und wie lange man schweigen möchte, ist jedem freigestellt. Wer’s tut, trägt einen orangefarbenen Ansteckknopf, der signalisiert: „Bitte nicht ansprechen“. Wortfetzen der „Nicht-Stillen“ klingen für meine Ohren wie Autobahnrauschen. Wie viel Überflüssiges man Tag für Tag von sich gibt! Sprache als Ablenkung von dem, was einen wirklich bewegt – so hatte ich das noch nie betrachtet.
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Schweigekloster Koblenz: Alles andere als langweilig
Ich fliehe vor dem Lärm um nichts in den „Raum der Stille“. Auf einer Colani-Liege sitzt die sympathische blonde Frau, die ich beim Essen schon gesehen hatte. Normalerweise würde ich rätseln, wer sie wohl ist. Hat sie Kinder, wo kommt sie her, was könnte sie von Beruf sein? In meinem Schweigemodus interessiert mich das alles nicht. Ich setze mich einfach dazu und genieße ihre Anwesenheit. Jede ist ganz bei sich, und doch spüren wir eine selbstverständliche Gemeinsamkeit. An den weiteren Tagen stelle ich fest: Schweigen im Kloster ist alles andere als langweilig. Meinen Laptop – als Notprogramm gegen Kommunikations-Heimweh eingepackt – schalte ich gar nicht erst ein.
Das Gästehaus, eine ehemalige Kneipp-Klinik, hat jede Menge zu bieten, vom Schwimmbad bis zum Hauskonzert. In aller Frühe laufe ich beim „Tautreten“ mit. Danach gibt es eine halbe Stunde Meditation oder „Leibübung“ mit Musik. Ich lasse mich im Schwimmbad treiben, besuche die Schafe im Park. Selbstverständlich kann man im Kloster Arenberg auch beten – allein oder mit den Dominikanerinnen. Man muss es aber nicht. „Wir begegnen jedem Gast, gleich welchen Glaubens und welcher Lebenssituation, mit Herzoffenheit“, sagt Geschäftsführer Bernhard Grunau.
In den Schweigemodus zurückfinden
Mein Aufenthalt ist nicht nur Seelsorge im wörtlichen Sinn. Er tut auch meinem Körper gut. Das Biobrot zum Frühstück schmeckt köstlich. Die Kräuter für Tees und zum Würzen bauen die Schwestern selbst im Garten an. Und ganz ehrlich: Ich schlafe so gut wie seit Jahren nicht! Tief. Entspannt. Ohne Unterbrechung. Am Ende nehme ich mir vor: Wann immer mich der Alltag wieder im Griff hat, versuche ich, in den Schweigemodus zurückzufinden. Das geht nämlich auch ohne die Abgeschiedenheit des Klosters. Auf der Autofahrt zurück nach Hause fange ich gleich damit an. Langsam lasse ich die Schweigetage ausklingen – still und ohne Klingklong aus dem Radio.
Übrigens:
Es gibt zahlreiche Klöster in Deutschland, die ebenfalls Schweige- Aufenthalte anbieten.
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